Friß das, Schatzi!
Das sind schwer arbeitende Musikerinnen, und wenn sie mal ruhig beieinandersitzen, also so ruhig, wie es sich bei ihnen einrichten läßt, dann kommen die Schnurren aus anderthalb Jahren Heavy Touring auf den Tisch.
Was oft so klingt, als sei die frische Band AK4711 schon eine altdeutsche Rock-Institution.
Da war zum Beispiel das ziemlich schiefgegangene Konzert in Pforzheim, als schon beim zweiten Lied der Laptop mit den Sequencer-Linien für immer abstürzte. Sängerin Anja (AK4711 gehören zu den Bands, bei denen alle nur einen Vornamen haben) kroch hinters Schlagzeug und versuchte, im Halbdunkel den Rechner neu zu starten, vorne spielten Cindy, Kerstin und Caro weiter, improvisierten irgendwas. „Anja, geht’s wieder?“, „Nein, spielt weiter!“. Am Ende, als die Zeit eh schon weggelaufen war, rockten sie doch noch ohne Computer durch ein paar Programmpunkte, und es ging. Und es klang: rockiger.
Inzwischen wurde Laptop Susi durch den Harddisc-Rekorder Horst ersetzt nicht nur die Bandmitglieder haben Vornamen, auch ein paar Instrumente. Eine Sitte, die man von greisen Gitarristen kennt und die doch in die richtige Richtung weist: AK4711 sind vier junge Frauen aus Hamburg und Berlin, eine Gitarrengruppe, aber nichts, nichts an ihnen erinnert an das, was man Indierock-Kultur nennt. Heutzutage extrem untypisch für eine deutsche Newcomer-Band dieser Farbigkeits-Stufe. Sogar Jeanette Biedermann trägt Punk-Hemden, während AK4711 sich als im traditionellen Stil zupackende Power-Frauen vorstellen und man glaubt es kaum – in Jugendzentren das männliche Personal arg verblüffen, wenn sie die Anlage selbst aufbauen. „Bei einem Konzert hatte jemand aufs Plakat geschrieben: Girlie-Power-Rock“, sagt Sängerin Anja. „Ich stand mit Caro davor und habe gefragt: Würdest du da hingehen? Nö. Ich nicht.“
Musik-Erfahrung hatten sie alle schon, als sie vor gut zwei Jahren durch Zufallsbekanntschaften und ¿weitergegebene Handy-Nummern zusammenkamen. AK4711 spielen auf dem Album „Erste Hilfe“ ein Mittelding aus Ausflippen und stark zwinkernder Ironie, stramm gezügelt, kontrolliert verzerrt, als hätte einer Nina Hagen aus dem Ufo gezerrt und ihr „Sex & The City“ gezeigt. Die Art von praktischem Post-Feminismus, den auch komplett Unpolitische gut finden. „Macht nix“, die Single, wird trotzdem kaum im Radio gespielt, angeblicher Grund: „zu jung“. Aber sie sind ja eine Band, die sich durch unbarmherziges Touren ihr eigenes Hörensagen macht.
Herbert Grönemeyers Grönland-Label war eine von drei Firmen, die anfragten. Nach einem Besuch in London, wo AK4711 mit Herbert Fish & Chips aßen, war alles klar, und er war es auch, der Andy Gül von Gang Of Four als Produzenten vorschlug. Technik-Chefin Anja verhandelte bei den Sessions aufgeregt die Soundvorstellungen, und der introvertierte Gül gab ihr nach Minuten stillen, intensiven Nachdenkens meistens recht. Und was ‚war mit Benjamin von Stuckrad-Barre, der AK4711 im ROLLING STONE journalistisch begleiten wollte und dann nach der ersten Folge unbekannt verzog? Er ist Fan und war bei den Aufnahmen dabei. Im Giftschrank von Grönland lagert sogar ein Song, bei dem Stuckrad-Barre musikalisch mitgewirkt hat. Was er genau gemacht hat? „Rufen“, sagt Anja. „Ich würde sagen: rufen.“