Frisches Nuscheln
Kommen wir nun zu den erfreulichen Comebacks: Die Ur-Besetzung von Dinosaur Jr. hat eine neue, brillante Platte fertig
Die Phantom-Reiserufe reißen nicht ab – und alle kommen wieder: die alten und nicht ganz so alten Meister des Rock – Stooges, Police, Smashing Pumpkins. In der Slacker-Ecke haben sich Dinosaur Jr. zwei Jahre lang warmgemacht, in der Original-Besetzung Lou Barlow, Murph und J Mascis, und nun kommt endlich auch das neue Album: „Wir spielten ein paar Konzerte, entschlossen uns dann, noch mehr Konzerte zu spielen, und nahmen schließlich ein Album auf, um endlich wieder neue Stücke spielen zu können. So lief das.“ J Mascis ist ganz der Alte: Haare bis fast zum Gürtel, die Körperhaltung eines 14-jährigen Schulabbrechers, ausgewaschene Jeans und ein altes T-Shirt, das zwar weit ist, aber am Bauch spannt.
Doch es gibt keinen Grund, sich über J und seine von Anfang an betont unglamourösen Kumpels lustig zu machen. „Beyond“ legt die Messlatte für Spätrückkehrer verdammt hoch – das beste Dinosaur Jr.-Album seit dem 1988 erschienenen „Bug“. Gute Idee, den ersten Song in alter Hänger-Manier „Almost Ready“ zu nennen und dann eine Welle klingendes Gebirgsquellwasser in die Wohnzimmer der Hörer zu schütten.
Wie haben Sie das bloß hingekriegt, Herr Mascis? „Ich habe keine Ahnung“, murmelt der vergrippte Bandvorsteher. „Beyond“ knüpft direkt an die ersten drei Alben an, die in derselben Besetzung entstanden sind und die den leer und formelhaft gewordenen US-Hardcore Mitte der Achtziger in eine neue, introspektive Form überführten, in der selbst ausufernde Gitarrensoli wieder einen Platz fanden. Die Energie des Punk und die Ausschweifungen des Psychedelic-Rock geben auch den neuen Songs ihre herbe Würze. Eben ganz wie früher. Ob das so geplant war? „Nicht unbedingt. Wir haben uns einfach bemüht, jeden Song so gut klingen zu lassen wie möglich.“
So richtig gesprächig wird J Mascis erst, wenn er über den Unterschied zwischen der Software Pro-Tools und den Vorzügen traditioneller Bandmaschinen sprechen darf. Ein Feuer in seinem alten Studio zwang den Sänger, Gitarristen und Produzenten zum Einstieg ins digitale Zeitalter: „Das neue Studio ist im dritten Stock meines Hauses, und das Treppenhaus ist zu eng, um eine Bandmaschine hochzuschleppen. Ich war hinterher wirklich überrascht, wie gut die Aufnahmen mit Pro-Tools dann geworden sind“.
Die Mucker-Haltung von Dinosaur Jr. ist vielleicht langweilig, aber auch ziemlich sympathisch: Superstar will er eh nicht werden, ein stumpfer Rocker ist er aber auch nicht. Schon gar nicht auf dem vor zwei Jahren erschienenen und selbstverlegten Soloalbum „] And Friends Sing And Chant For Amma“, einem Tribute an eine Hindu-Heilige. Anders klingt auch das 2006 erschienene Debütalbum der Doom-Metal-Band Witch, bei der Mr. Dinosaur Jr. seit langer Zeit mal wieder am Schlagzeug sitzt: „Es macht wahrscheinlich mehr Spaß, bei Witch mitzuspielen, als sich die fertigen Songs dann anzuhören“, versucht er potenzielle Käufer zu warnen.
Ein Musiker, der für Nike gerade erst ein paar Skaterschuhe entwerfen durfte, kann sich das vermutlich leisten. Die Songs von Dinosaur Jr. waren schon immer beliebt bei Skatern. „Früher, als ich noch ein Kind war, bin ich selber Skateboard gefahren“, behauptet der 41-Jährige und zeigt die silbrig glänzenden Eigenentwürfe mit den lila Schnürsenkeln vor. Eigentlich sehen sie aus wie Baseball-Stiefel. ,Ja, das stimmt schon, aber jetzt sind es Skater-Schuhe.“
Während sich Mascis durch das Interview nuschelt, bereitet sich sein Kollege Lou Barlow auf die US-Tournee der reformierten Ur-Sebadoh vor. „Lou und ich, wir haben einfach einen guten Sound, wenn wir miteinander spielen“, sagt J, und auf das Sebadoh Konzert Ende des Monats daheim in Amtierst freut er sich schon. Vielleicht ist ja „Beyond“ deshalb so gelungen, weil das Album eine Verweigerung ausstrahlt, zu der es keine passende Mode gibt. Warum eigentlich „Beyond“?
J Mascis denkt lange nach: „Eine Zeit lang wusste ich, was der Titel bedeutet, aber dann… hab ich’s vergessen. Es war so etwas in der Art: Was immer die Frage ist, die Antwort lautet „Beyond“ Ist das nicht wunderbar passend?