Freund leiser Töne
Als Soundmixer hat David Poe gelernt, dass die Welt eh zu laut ist. Und daher bringt er auf seinem Debüt selbst aggressive Texte subtil rüber
Armer David Poe. Da spielt er anlässlich der Deutschland-Premiere seines gleichnamigen Debütalbums in der Hauptstadt Ist auch richtig rappelvoll dort, folglich kann man kaum was sehen, nur mäßig was hören (die vielen Handys allerdings sehr gut), und es muffelt streng nach Löwenpisse und Kamelkacke. So ist das nun mal im Biergarten im Tiergarten, direkt neben dem West-Zoo. Poe hätte etwas Besseres verdient. Seine Songs klingen jedenfalls nach mehr: so wie sozialkritischer Neo-Folk mit jazzigen Tupfern. Das mag an seinen Mitstreitern liegen, immerhin Gitarristen-As Marc Ribot, Trommler Sim Cain (Rollins-Band), Standbassist John Abbey (John Cale-Band), und produziert wurde das Ganze von T-Bone Burnett. „Der war damals gerade in New York, um für Sam Shepard Theatermusik zu arrangieren.“ Zufälle und wundersame Fügung.
David Poe zog vor zehn Jahren von Dayton/Ohio mit einiger Cluberfahrung und der naiven Hoffnung aufs große Glück aus der Provinz nach New York. Und siehe da: Der Job eines Soundmixers für das Folk-Akustik-Programm im legendären Punk-Club CBGB’s war gerade vakant. Poes Helden sind nun allabendlich auf der Bühne. Man kennt sich, mag sich, ob Ribot oder Chris Whidey. Poe spielt zunächst mit Cain und Abbey als The Christ Brothers. „Wir sahen echt biblisch aus, mit langen Haaren und Rauschebärten.“ Eine EP entsteht („Glass Suit“). Whitley vermittelt den großen Deal. Poes gleichnamiges Debüt erscheint. Das war vor drei Jahren.
„Natürlich ist es komisch, jetzt wieder über Songs zu reden, die ich damals geschrieben habe. Ich sehe manches heute anders.“ Seit 1997 ist er mit diesen Songs unterwegs, von Japan über England bis in unsere Breiten, aber er möchte am liebsten sofort ein neues Album rausbringen. „Song-Ideen schweben ja permanent in der Luft. Wenn sie nicht bei mir landen, dann bei jemand anderem. Ich habe das schon erlebt: Ich erkannte meine Idee wieder und war stinksauer. Heute schreibt er nicht mehr so provozierende Texte wie über Polizeigewalt („Cop“). „Mein Ziel ist der perfekte Lovesong, und zwar nicht über die Liebe eines Paares, sondern zum Thema generell. Der Stamm der Hopi-Indianer kennt gut 200 Lieder über den Regen, weil der Regen für eine gute Ernte notwendig ist. Ich wurde mal von einem Hopi gefragt, ob wir Weißen aus dem gleichen Grund so viele Liebeslieder brauchen. Im übrigen kann ich mir wirklich nichts Langweiligeres vorstellen, als so einen Songschreiber, der dauernd seinen persönlichen Seelenzustand wiederkäut Ein Song muss für alle gültig sein.“
In der Skala vom Schreien bis zum Flüstern bevorzugt Poe stets die leisen Töne, selbst wenn ein Text aggressiv gerät. „Natürlich habe ich auch mal das Bedürfnis zu schreien, meist aber aus Euphorie, selten vor Wut. Ich hab als Soundmixer die Musik immer leiser gesteuert, als die Bands es wollten. Die Welt ist eh zu laut, und Musik wird heute einfach viel zu laut gehört.“