Franziskus‘ Soul
Mit dem neuen Papst könnten sich womöglich zwei, drei Dinge ändern – er fährt gern U-Bahn und ist ein professioneller Berührer
Und Jesus trug eine Pudelmütze, zum ersten Mal zu Ostern, und es grämte ihn, dass er vor seinem Tempel ausrutschte und Schnee schippen musste und der neue Papst nur ein Argentinier ist. Dieser Papst spricht Spanisch, aber das tröstet Jesus kein bisschen: Jesús Diaz Sindín aus Nordspanien leitet das Hamburger Edelrestaurant Portomarin und meint, nach 500 Jahren sei’s mal wieder Zeit für einen spanischen Papst, zumal die Spanier immerhin die Molekularküche erfunden haben und die Besten im Fußball sind.
Den weißen Rauch über der Sixtinischen Kapelle guckten wir im Portomarin, der Fernseher lief, Jesús servierte das Jakobsweg-Menü, der Papst grüßte vom Balkon: Sieben Sekunden lang dachten wir, das könne nur ein Scherz sein oder Sabotage, denn Alfred Biolek ist doch schwul und Atheist, aber wir sahen dann die Genscher-Ohren, nein, das war nicht Biolek – sondern Jorge Mario Bergoglio, jünger als 80, sein erster Auftritt hatte was Weihnachtsmannmäßiges. Er will die Katholiken ja auch wie ein Gaukler Gottes führen, nach seinem Namensgeber Franziskus von Assisi, der damals sein Vermögen verschenkte, dem Bischof nicht zuhörte und das Gespräch mit den Pflanzen und Tieren suchte.
Die Deuter in aller Welt verkündeten sofort, dass ein Papst namens Franziskus antrete, um „alles“ ganz anders zu machen, und sechs Wochen später lässt sich wohl sagen: Zwei, drei Dinge könnten sich durch Franziskus möglicherweise hier und da ändern. Vielleicht. Er wird keine Frau zu seinem Kammerdiener ernennen, die Pille und die Homosexualität nicht abnicken, aber eventuell eine Schwulensauna in San Francisco besichtigen; er wird das Papamobil niemals selbst lenken, jedoch U-Bahn fahren. Er trifft beim Singen mehr Töne als sein Vorgänger Ratzinger, hat aber nicht den Soul eines Wojtyla. Dessen Spezialität – auf den Flughäfen knien und die Erde küssen – scheint Franziskus nun die Anfasserei entgegenzusetzen.
Professional touchers, sagen die Angelsachsen und meinen damit Ärzte, Masseure, Hundetrainer usw.; Franziskus schüttelt ständig Hände und wäscht Füße, auch von Verstoßenen, darunter Häftlinge und Aidskranke. Angenommen, ich wäre ein Schwarzer aus dem Kongo und hätte Aids, und Franziskus würde mir freundlich die Füße waschen, dann bekäme er wohl diesen Vortrag zu hören: „Danke für dein Mitleid, Papst, aber deine beiden Vorgänger hätten Kondome als Selbstverständlichkeit nehmen müssen, wie das Brot zum Abendmahl! Mit Kondomen hätte ich jetzt kein Aids, und du bräuchtest mir nicht die Füße zu waschen!“
Franziskus würde lächeln statt zu grummeln, er will auf seine Brüder und Schwestern zugehen, ein Volkspapst sein. Meine Idee für eine Talkshow haben seit 2005 alle Sender abgelehnt, weil Benedikt, der Intellektuelle, nie zugesagt hätte, aber mit Franziskus, dem Kindskopf, könnte es gehen: Maybrit Illner und Reinhold Beckmann moderieren die Gesprächsrunde, neben Franziskus (Papst) sitzen Diedrich Diederichsen (Pop-Papst), Wolfram Siebeck (Fresspapst), Marcel Reich-Ranicki (Literaturpapst, ersatzweise Hellmuth Karasek), sie antworten auf zwei Fragen: Warum heißt Rom überhaupt „Ewige Stadt“, obwohl außer Gott und seinem Reich gar nix ewig sein darf? Warum steht der Vatikan nicht in Madrid oder Regensburg, sondern ausgerechnet in Rom, obwohl die Römer damals Jesum Christum ermordeten?
Franziskus würde erst wieder lächeln, dann sollte er jedoch was halbwegs Einleuchtendes sagen, auch über die Vatikanbank, denn sie hat Milliarden Euro angehäuft, während Franziskus gegen das Raffen ist, die Besitzlosen verherrlicht und so dem Chansonnier Klaus Hoffmann entspricht („Lass uns arm sein, Dinge bringen Leid“). Aber Papst Franziskus muss noch lernen: Brot backen aus Wolken, das kann nur Gott allein.
Nächsten Monat kommt der Typewriter wieder von Jenni Zylka.