Die meistunterschätzten Alben aller Zeiten: Frank Sinatra – „Cycles“
Nichts auf dieser Platte passt zusammen – und deshalb ist diese Apotheose des Easy Listening auch so bezwingend.
Dean Martins Diktum, es sei Frank Sinatras Welt und wir leben nur darin, galt nicht mehr. Sinatra verstand diese Welt nicht. In einem Fernsehspecial für CBS erzählte er 1965 gespielt bekümmert, er würde ja gern Rockmusik hören, wenn man bloß die Texte verstehen könnte, wenn die Sänger nur richtig phrasieren könnten und richtige Songs hätten.
Er machte dann im Studio vor, wie man einen richtigen Song singt, indem er „It Was A Very Good Year“ vortrug. Seine Tochter Nancy sang ein Jahr später „These Boots Are Made For Walkin’“ mit Lee Hazlewood, und Sintara hatte einen Hit mit Bert Kaempferts „Strangers In The Night“, einem Lied, das er scheußlich fand.
Frank Sinatra konnte auch sehr opportunistisch sein
1967 nahm er mit Nancy das Album „The World We Knew“ auf – der Titelsong stammt von Kaempfert – und sang „Somethin’ Stupid“ mit ihr im Duett. So störrisch Sinatra war, so opportunistisch konnte er sein. Er bestellte den Arrangeur und Produzenten Don Costa ins Studio. Costa hatte zeitgenössische Songs ausgesucht: Joni Mitchells „Both Sides, Now“ (hier „From Both Sides, Now“), Jimmy Webbs „By The Time I Get To Phoenix“ und John Hartfords „Gentle On My Mind“, dazu schnulzige Stücke wie „Little Green Apples“ („God didn’t make these little green apples/ It never rains in Minneapolis in the summertime“), „Pretty Colors“, „Moody River“ und zwei brausende, melodramatische Balladen: „Rain In My Heart“ sowie „My Way Of Life“, wiederum von Bert Kaempfert.
Nichts auf dieser Platte passt zusammen – und deshalb ist sie so bezwingend. Sinatra fühlte diese Lieder nicht wie bei seinen größten Gesangsdarbietungen – aber ihm gelang mit seiner gereiften Stimme beinahe die Leichtigkeit der Bossanova-Songs mit Antônio Carlos Jobim. Es ist eine Apotheose des Easy Listening und ein Dokument der Zeit, in der sogar Sinatra nun lebte.
Zwei Fotos auf der Plattenhülle zeigen Frank Sinatra im angeregten Gespräch mit George Harrison und Joan Baez: Der Allergrößte hörte der nächsten Generation zu. Ein Jahr später erschien „My Way“.
Die meistunterschätzten Alben aller Zeiten
Ohne Konzerte und Festivals fanden wir uns plötzlich abends auf unsere Plattensammlungen zurückgeworfen und stellten fest: Oft sind es nicht die kanonisierten Klassiker, die man besonders gern auflegt.
Stattdessen sind es Alben im Katalog eines lieb gewonnenen Künstlers, die man ganz für sich allein zu haben scheint, weil der Rest der Welt sie verschmäht oder gar schon vergessen hat – missverstandene Geniestreiche, verkannte Meisterstücke, vernachlässigte Schlüsselwerke und Platten, die einfach viel besser sind als ihr Ruf und eine Neubewertung verdienen.
- Teil 36: Crowded House – „Together Alone“
- Teil 35: The Clash – „Sandinista!“
- Teil 34: Sly & The Family Stone – „Small Talk“
- Teil 33: J.J. Cale – „Number 10“
- Teil 32: Lou Reed – „The Raven“
- Teil 31: Swans – „The Burning World“
- Teil 30: Element Of Crime – „Psycho“
- Teil 29: New Order – „Movement“
- Teil 28: Pavement – „Terror Twilight“
- Teil 27: Van Morrison – „Inarticulate Speech…“
- Teil 26: The Band – „Northern Lights – Southern Cross“
- Teil 25: Kate Bush – „50 Words For Snow“
- Teil 24: Paul Simon – „You’re The One“
- Teil 23: Joni Mitchell – „Don Juan’s Reckless Daughter“
- Teil 22: Beach Boys – „Friends“
- Teil 21: Blumfeld – „Verbotene Früchte“
- Teil 20: David Bowie – „Lodger“
- Teil 19: Crosby, Stills & Nash– „CSN“
- Teil 18: Don Henley – „Building The Perfect Beast“
- Teil 17: Sonic Youth – „NYC Ghosts & Flowers“
- Teil 16: Roxy Music – „Siren“
- Teil 15: Bee Gees – „Bee Gees 1st“
- Teil 14: R.E.M. – „Around The Sun“
- Teil 13: Prince – „Batman“
- Teil 12: Bob Dylan – „Planet Waves“
- Teil 11: Jethro Tull – „This Was“
- Teil 10: Oasis – „Heathen Chemistry“
- Teil 9: Pearl Jam – „No Code“
- Teil 8: Genesis – „Abacab“
- Teil 7: Pink Floyd – „The Final Cut“
- Teil 6: The Cure – „The Top“
- Teil 5: Queen – „Hot Space“
- Teil 4: The Beatles – „With The Beatles“
- Teil 3: Led Zeppelin – „Presence“
- Teil 2: Bruce Springsteen – „Tunnel Of Love“
- Teil 1: U2 – „How To Dismantle An Atomic Bomb“