Folk mit Paukenschlag
Mit einem beseelten Ensemblevortrag kehrten die Bowerbirds im Vorprogramm von Neva Dinova die Verhältnisse um. Take Bellows nahm es mit Selbstironie
HAMBURG, KNUST. Phil Moore hat schwer zu schlucken an diesem sagenhaft trüben Spätsommerabend in Hamburg. Im Wortsinn. Doch selbst ein dick vergrippter Hals hindert den bärtigen Bowerbirds-Sänger nicht daran, sein Trio im knapp halb gefüllten Knust hoch fliegen und sicher landen zu lassen. Es mutet ja zuweilen befremdlich bis unfreiwillig komisch an, wenn vor den Jahren zivilisationsmüde gewordene Ami-Folkies das vermaledeite Babylon mit der frohen Botschaft von einer Rückkehr in den Schoß von Mutter Natur heimsuchen. Der beseelt-melodieselige, garantiert solofreie Ensemblevortrag der Band aus North Carolina indes kennt weder selbstgerechtes Pathos noch esoterische Entrücktheit.
Der heimliche Star der Darbietung ist bei den Bowerbirds eine sogenannte Marching Drum, vulgo: Pauke, die Phil Moore nur einmal kurz mit seinem Fuß bedient und die ansonsten von Beth Tacular und Mark Paulson abwechselnd mit Schlägen auf Fell und Rand traktiert wird. So wird die Pauke zu gleichen Teilen zum Bassersatz wie zum Metronom. Manchmal schweigt die große Trommel auch. Dann lautmalen Tacular und Paulson an Akkordeon und Geige die Geister vom Cedar River in die Luft, derweil Moore seine Nylon-Saiten in dem Song „Matchstick Maker“ nur noch streichelt. Ruhig klane selten so dynamisch.
So können es sich die Bowerbirds leisten, ihren kleinen Hit-Überflieger „In Our Talons“ schon weit in der ersten Hälfte dieser Konzertstunde zu starten. Erste Ovationen gibt es wenig später zu Recht, als die drei ihren betörenden Harmoniegesang um diesen Bur Oak-Baum wickeln und Moore seine Gefährten durch die Tempowechsel von Olive Hearts treibt. Nach „Dark Horse“ dann packen die Bowerbirds unter lautem Beifall schon zusammen, bevor der Chef des Hauses trotz eines hoffnungslos aus dem Ruder gelaufenen Zeitplans doch noch den Daumen für eine Zugabe hebt. Allein bleibt ein lächelnder Moore auf der Bühne zurück.
schluckt noch mal schwer und entbietet solo mit „Bright Future“ eine Live-Premiere frisch aus der Trailer-Werkstatt. Gestatten Sie die folgende, nicht allzu steile These: Ich habe die Zukunft der Bowerbirds gesehen, und sie leuchtet.
Und zwar so hell, dass sich der gute Jake Bellows wohl besser eine Sonnenbrille unter die hohe Stirn gesetzt hätte. Der Kopf von Neva Dinova wusste um die Schwere der Aufgabe zu bereits vorgerückter Stunde unter der Woche. Awesome seien sie gewesen, diese Bowerbirds. „And now“, schiebt Bellows hinterher, „we gonna try to be awesome, which sucks.“ Weniger awesome: Gleich beim ersten Song reißt Bellows eine Saite. Später findet er die richtige Tonhöhe für den angefixten Country-Heuler „Will The Ladies Send You Flowers When You Die“ erst im zweiten Anlauf, und wenn gar nichts mehr geht, erzählt Bellows halt einen Witz über akuten Haarausfall.
Der Mann betreibt sein Geschäft also mit der selbstironischen sloppyness eines Mannes, der sein bisschen Zukunft schon ein bisschen hinter sich hat. Ruhiger wird man da nicht unbedingt, denn auch der eine oder andere Gitarren-Vulkan bricht über die Verbliebenen aus. Die wollen Neva Dinova auch nicht ohne Zugabe ins Hotelbett schicken. Jake Bellows nimmt es mit äußerst amüsierter Verwunderung zur Kenntnis.