Flüchtlings-Krise: Wie Facebook für Syrer zum Fluchthelfer wird
Tipps für den Alltag in Deutschland und die besten Fluchtrouten aus Syrien – in einer Facebook-Gruppe helfen sich geflüchtete Syrer gegenseitig. Manchmal schämen sie sich auch für ihre Landsleute. Von Thilo Maluch
Während Deutschland noch streitet, wie man syrischen Flüchtlingen am besten helfen kann und Europa diskutiert, wer wie viele Flüchtlinge aufnehmen soll, ist man im Internet schon mindestens einen Schritt weiter. Im sozialen Netzwerk Facebook organisieren sich einige Syrer und klären die wirklich wichtigen Fragen des Flüchtlingsalltags.
„Das syrische Haus in Deutschland“
Auf der Pinnwand der vorwiegend arabischsprachigen Gruppe „Das syrische Haus in Deutschland“ wird schnell deutlich, was die Flüchtlinge brauchen: Hilfe bei der Kommunikation mit Behörden, arabischsprachige Ärzte, billige Einkaufsmöglichkeiten, Wohnungen oder Jobs.
Die Mitglieder helfen sich gegenseitig bei Problemen, an denen auch Deutsche manchmal scheitern. Wie etwa der Steuererklärung oder beim Verstehen eines kryptischen Behördenbriefes aus einer deutschen Amtsstube.
Man interessiert sich hier weder für abstrakte Diskussionen über Willkommenskultur noch für die Frage, ob man jetzt Flüchtling oder Refugee genannt wird. Auch die politischen Ansichten der Weltenretter aus dem Showgeschäft werden in der Gruppe völlig ignoriert.
Die Dankbarkeit ist groß
Die Probleme der Syrer sind eher grundsätzlicher Natur. In einem Video wird beispielsweise erklärt, wie man Fahrscheinautomaten richtig bedient, um ein Ticket von Wien nach München zu kaufen. Per Foto-Sprachkurs werden die wichtigsten Vokabeln übersetzt: Ausweis, Asyl, Flüchtling, Fingerabdruck und Familiennachzug
Flüchtlinge suchen per Facebook Kontakt zu anderen Syrern in Deutschland, fragen sich, ob der syrische Führerschein in Deutschland gültig ist, oder wundern sich über den Schnee in Garmisch-Partenkirchen.
Auch wer versucht, herauszufinden, was eigentlich ein Passersatzdokument ist oder wie man am besten an SIM-Karten für das Smartphone kommt, dem wird in der Gruppe ganz schnell geholfen.
„Die wichtigsten Vokabeln: Ausweis, Asyl, Flüchtling, Fingerabdruck und Familiennachzug“
Die Dankbarkeit gegenüber Deutschland ist groß. Zahlreiche Posts dokumentieren, wie sich Deutsche um Flüchtlinge kümmern oder wo gerade Willkommensfeste veranstaltet werden.
Andere Länder kommen hier weit weniger gut weg. Beklagt wird die unfreundliche Behandlung der Flüchtlinge in Ungarn oder Griechenland, wo sie zum Teil an der Weiterreise gehindert werden.
Auch hier kann die Facebook-Gruppe weiterhelfen: Landkarten, die einige Mitglieder gepostet haben, zeigen die besten Routen von Griechenland nach Mazedonien.
Sorge um das Ansehen Syriens in der Welt
In der Facebook-Gruppe geht es auch um das Image der Flüchtlinge: Tipps für das richtige Benehmen eines anständigen Flüchtlings finden sich auf der Pinnwand. Einige Posts zeigen Bilder einer angeblich von Syrern verlassenen Wiese in Ungarn.
Der Lagerplatz der Flüchtlinge ist von Müll übersät, auf den Fotos sind zurückgelassene Kisten voller Lebensmittel zu erkennen. Andere Bilder zeigen völlig verdreckte und mit Fäkalien verunreinigte Busse, in denen offenbar Flüchtlinge transportiert worden sind.
„Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet“
Die Kommentare dazu sind eindeutig. „Die Augen der Welt sind auf uns gerichtet“, schreibt jemand und beklagt, dass diese Bilder nicht das wahre Gesicht der syrischen Volkes zeigten. In Wahrheit, heißt es weiter, „sind wir eines der kultiviertesten Völker“.
Ein anderer geht noch weiter und entschuldigt sich im Namen seiner syrischen Landsleute bei den Ungarn für „das Chaos, das meine syrischen Brüder in den Straßen eures Landes hinterlassen haben“.
Dieser Text erscheint mit freundlicher Genehmigung der Kollegen vonWelt.de