Flüchtige Raserei, inbrünstige Onanie
Bei allen musikalischen Liebeleien ist der Schrifsteller Joseph von Westphalen doch vor allem eins: Dylanologe
Ohne Bobby Darins eigentlich kitschigem „Dreamlover“ aus den Sechzigern hätte ich nicht so kitschig herumgeträumt in der Pubertät, ohne Bobby Gentries brünstiges „Mississippi Delta“ hätte ich weniger inbrünstig onaniert, aber ein Anderer wäre ich ohne diese beiden Stücke nicht geworden, denke ich. Die Beatles, die Stones oder Bob Dylan zu nennen wäre langweilig. Auf Teufel komm raus ausgefallen sein wollen, ist auch blöd. Sonst würde ich nämlich Sixto Rodriguez nennen, den nur in Südafrika bekannt gewordenen Latino aus Detroit, zwei Platten um 1970, dann 30 Jahre vergessen. Tolle Musik. Ein paar Mal im Jahr begeistern mich durchaus auch Songs von heute, aber die Raserei ist flüchtig, die vielen neuen Liebschaften richten nichts mehr an.
Am meisten beschäftigt habe ich mich dann doch mit Bob Dylan: Den frühen 60er-Jahre-Dylan fand ich umwerfend, eigentlich erst später so richtig, als mir nach dem Ende der Beatles und dem Unoriginellwerden der Stones eine Weile überhaupt nichts mehr gefiel. Da habe ich mich mit John Lennon und Dylan über Wasser gehalten. Meine vorläufig letzte Bob-Dylan-Platte war dann „Desire“ von 1976. Vor allem „One More Cup Of Coffee“ hatte es mir angetan. Die Alben danach haben mich zunächst nicht mehr interessiert. Erst später wieder. 1991 drückt mein Romanheld Dylans „To Ramona“ in den Kassetterekorder des Autos, um mit dem netten Walzer aus den 60er-Jahren über einen Herzschmerz hinwegzukommen. Mehr steht da nicht. Ein Satz. Dieser Satz aber fiel einem jungen Diplomaten auf. Hatte gar nicht gewusst, dass Dylan so viele Fans im Alter seiner/meiner Kinder hat. Der Dylan-Diplomaten-Fan, der dann auch ein Fan von meinen Büchern wurde, hat mich fortan mit Dylan-Bootlegs versorgt und die alte Liebe wieder lodern lassen. Im nächsten Roman habe ich ein Kapitel über die Besessenheit der Dylanologen geschrieben. Dylans heutiges Konzert-Krächzen mag ich nicht und kann mich nur für wenige seiner neuen Songs erwärmen. Die Stimme des jungen Dylan aber bringt mich noch immer zum Schmelzen. Zum Glück tauchen ab und zu mir unbekannte Aufnahmen aus irgendwelchen Hotelzimmern aus der ganz und gar nicht grauen Vorzeit auf.
Anfang August erscheint die vom Autor kompilierte CD-Box: „Wie man mit Jazz die Herzen der Frauen gewinnt “ (Kein & Aber)