„Ich liebe es, Musik zu machen, die ich als Kind selber gerne gehört hätte“
Im ROLLING-STONE-Interview spricht der Sänger über die Bedeutung von Rolf Zuckowski, gute Kinderlieder und das neue Deine-Freunde-Album „Ordentlich durcheinander.“
Florian Sump war Schlagzeuger bei der Teenie-Band Echt, arbeitete danach 10 Jahren lang in einer Kita und gründete schließlich gemeinsam mit Lukas Nimscheck und Markus Pauli das Trio Deine Freunde, mittlerweile Deutschlands populärste Band für Kinder.
Wenn Ihr ein neues Album fertig habt, dann spielt Ihr es immer zuerst Rolf Zuckowski vor.
Rolf war unser frühester Förderer. Als wir die ersten Demos produziert hatten, haben wir ihn angeschrieben und gefragt, ob er was dagegen hätte, wenn wir uns „Rolf Zukopfnick“ nennen. Das fanden wir damals kurz mal lustig. Daraufhin haben wir ihn dann kennengelernt, weil er sich zurückgemeldet und gesagt hat, dass er unsere Musik ganz toll findet und sich gerne mal mit uns auf ein Stück Kuchen treffen würde. Den Namen hat er uns dann schnell wieder ausgeredet. Er hat uns dabei auch noch ein sehr schönes Kompliment gemacht und sagte sowas wie: dass das, was wir machen, zu eigen sei, als dass wir es an eine real existierende andere Person, nämlich ihn, vom Namen her anlehnen sollten. Und dass wir einen eigenen Namen brauchen. Und dann haben wir noch mal überlegt und uns für „Deine Freunde“ entschieden.
Ist das eine Hommage an „Rolf Zuckowski und seine Freunde“?
Wir haben in dem Moment gar nicht dran gedacht, aber als es uns dann einfiel, dass Rolf ja auch immer mit „seinen Freunden“ Musik gemacht hat, fanden wir den Namen dann umso passender. Und dann war’s entschieden, dass wir uns wirklich so nennen wollen!
Was hat Rolf Zuckowski zu Eurem neuen Album „Ordentlich durcheinander“ gesagt?
Wir haben uns getroffen, und er hat sich, wie immer, alles sehr, sehr ruhig und hochkonzentriert angehört, also es ist nicht so, dass wir nebenbei noch groß gesmalltalked hätten. Er nimmt sich dann wirklich den Moment und hört ganz in Ruhe zu. Das Album hat ihm sehr gut gefallen. Wir haben vorher geraten, was wohl sein Lieblingslied werden könnte, und wir lagen alle drei daneben! Er hat sich für einen anderen Song entschieden, nämlich das titelgebende, wortspielerische „Ordentlich durcheinander“, das fand er am besten. Ich glaube, das hat damit zu tun, dass er auch immer sehr sprachinteressiert ist, Sprache ist seine Leidenschaft.
Er hat, wie schon bei unseren letzten drei Alben, gesagt, dass wir die Kinder damit ordentlich fordern würden. Da geben wir ihm natürlich auf eine Art auch Recht: Nicht alles lässt sich leicht wegkonsumieren. Bei manchen Sachen lohnt es, sich ein bisschen damit auseinanderzusetzen. Das ist dann keine Nebenbei-Musik fürs Kinderzimmer. So ein Album wie dieses hätten wir vor 10 Jahren noch nicht gemacht, vor fünf wahrscheinlich auch noch nicht. Es gab zwischen jedem Album und jeder Tour Lernprozesse. Vom ersten Album aus, auf dem es sehr monothematisch immer nur um Situationen aus dem kindlichen Alltag ging, haben wir uns immer ein bisschen weiter getraut, von Album zu Album und von Song zu Song. So Sachen zu machen, die auch mal außerhalb des Normalen liegen und mal nicht „Pyjama-Party“ oder „Omas Naschi-Schublade“ sind. Auf dem letzten Album war ein Lied namens „Elternvertreterwahl in der Kita“ – das hat ja erstmal mit dem kindlichen Alltag überhaupt nichts zu tun, da gibt’s gar keine Berührungspunkte. Aber das ist eben ein Berührungspunkt, den eigentlich alle Eltern irgendwann kennenlernen, somit findet er irgendwie grob im familiären Kosmos statt. Und das reicht uns mittlerweile, um zu sagen: Darüber schreiben wir einen Song. Weil wir es auch cool finden, wenn die Eltern sich mit den Kinder austauschen über bestimmte Lieder. Oder dass es etwas anstößt, was die Kinder vielleicht neugierig macht.
Kinder sind mit ihrem Interesse und ihrer Neugier viel, viel breiter aufgestellt, als man denkt. Es bringt uns als Band Spaß, da immer wieder die Grenzen neu auszuloten. Können wir es uns erlauben, ein Lied über die Fontanelle zu machen? Da könnte man ja auch denken: Unsere Hörerschaft ist im Kern zwischen 6 und 12 Jahren alt. Was soll die ein Lied über die Fontanelle interessieren? Aber da denkt man dann auch wieder zu eindimensional, wenn man glaubt, dass die Kinder unmittelbar davon betroffen sein müssten, um Interesse dafür zu haben. Wir haben die Erfahrung gemacht: Wenn wir etwas mit unserem Humor, mit unserer Herangehensweise machen, dann können wir auch Lieder über Situationen schreiben, die gar nicht so nah dran am normalen Interesse der Kinder sind, sondern außerhalb davon. Und sie bringen trotzdem eine Neugier und Offenheit dafür mit, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen.
Was macht generell für Dich ein gutes Kinderlied aus?
Es fällt mir schwer, das zu beantworten, ehrlich gesagt. Weil ich’s, glaube ich, gar nicht so genau weiß. Wenn ich das wüsste, dann würde das vielleicht so klingen, als hätte ich dafür ein Rezept, und da müsste man sich dann nur dran halten, um ein gutes Kinderlied zu schreiben. Ich kann’s aus meinem persönlichen Geschmack heraus beantworten: Ich liebe es, Musik zu machen, die ich als Kind selber gerne gehört hätte, von der ich mich irgendwie angesprochen fühle. Die auch in sich etwas Lebensbejahendes hat. Was nicht heißt, dass man nicht auch mal ein trauriges Lied für Kinder schreiben kann, ganz im Gegenteil! Wir nehmen die Kinder absolut ernst. Also auch in Momenten, wo’s um blödsinnige Sachen geht. Wir sind immer wieder überrascht, wie viel mehr Offenheit in den Kindern steckt, als man das als Erwachsener oft so vermuten mag. Du merkst schon, ich kann die Frage nicht so richtig klar beantworten, weil es im Fall der Bandgeschichte von Deine Freunde auch einfach so ein Prozess des Immer-mehr-Verstehens war, immer wieder alte Denkmuster aufbrechend. Wir sind damit auch noch nicht am Ende. Wir fühlen uns nur in dem, was wir machen, immer sicherer, weil das, was wir machen, aus dem Feedback der Kinder wächst.
Was unterscheidet die neue Kindermusik-Generation von der alten?
Was Rolf Zuckowski gemacht hat, galt damals als sehr progressiv, weil er die Kinder ernst genommen, ihre Perspektive eingenommen und sich mit ihnen verbündet hat. Wenn uns heute Leute auf Rolf ansprechen, weil die nicht wissen, dass wir befreundet sind, dann wollen die uns gerne als Gegenstück zu ihm darstellen. So ein bisschen nach dem Motto: „Die Alten haben ausgedient, jetzt kommen die Neuen!“ Das fände ich total vermessen, uns irgendwie über jemanden zu stellen. Ich finde, dass es schon immer sehr tolle Kindermusik gab. Zum Beispiel Fredrik Vahle, der auch sehr verspielt und fantasievoll an die Sache herangegangen ist. Ha! Jetzt habe ich eine Antwort auf Deine Frage von eben: Ein gutes Kinderlied macht für mich aus, wenn Du hörst, dass derjenige, der es geschrieben hat, immer noch Lust hat, zu spielen. Wie frisch das uns als Erwachsene auch hält! Und in unserer Musik können wir diesen Spieltrieb am allerbesten ausdrücken.
Wenn Du ein Lied von Eurem neuen Album hervorheben könntest, welches würdest Du auswählen und warum?
Da würde ich mich für „Ordentlich durcheinander“ entscheiden, weil ich das Wortspiel der scheinbaren Gegensätze mag. Bei dem Lied versuchen wir, niemandes Perspektive einzunehmen, weder die der Eltern, noch die der Kinder. Sondern wir haben einfach einen Song gemacht, in dem wir freudvoll mit Sprache spielen. Das haben wir bisher auf diese Art noch nicht gemacht, deswegen würde ich mich für diesen Song entscheiden.
Der leicht paradoxe Albumtitel „Ordentlich durcheinander“ erinnert auch ein bisschen an „Irgendwas Bestimmtes“ von Bummelkasten.
Awww, Bummelkasten! Den finden wir auch richtig toll! Der war auch schon bei uns als Support dabei.
Welche Musik hast Du in Deiner Kindheit gehört?
Bei mir war’s, sobald ich damit in Berührung gekommen bin, deutscher Rap. Da war ich, glaube ich, 10 Jahre alt. Das waren damals die ersten Sachen von den Fantastischen Vier. Das erste Mal, dass ich die Kraft gespürt habe von „da beschreibt jemand ganz genau, wie’s mir gerade geht“, war, als ich in ein Mädchen aus meiner Klasse unglücklich verliebt war. Sie wollte mich nicht, sie stand auf die Jungs, die zwei Klassen höher waren. Und dann habe ich von der Münchener Freiheit das Lied „Ohne Dich“ gehört und dachte: Das gibt’s doch nicht! Das ist ja genau, wie ich mich fühle! Da war ich so 9 oder 10.
Und vorher? Hast Du als Kind Rolf Zuckowski gehört?
Ab der Grundschule war es bei mir vorbei mit Rolf. Den haben wir dann an Weihnachten immer ausgepackt, „Weihnachtsbäckerei“ & Co. Aber ich habe schon als sehr junges Kind Bock auf die Musik gehabt, die es für Erwachsene gab. So mit 12 ging es bei mir los, dass ich alles durcheinander gehört habe. Da fängt man dann an zu begreifen, wie groß Musik eigentlich ist. Dann tun sich ganze Dimensionen auf, und man beginnt zu ahnen: Okay, das kann ich in meinem Leben nicht alles hören, was es an geiler Musik gibt!
Euer neuer Song „Lügenbaron“ ist eine Hommage an „Die da?!“ von den Fantastischen Vier.
Wir lassen zwischendurch gerne mal so Querverweise – zwischen den Zeilen oder auch ein bisschen offensichtlicher – mit rein in unsere Musik. In dem Fall war es aber eigentlich so, dass ich, nachdem wir die Rap-Strophen dafür aufgenommen hatten, gemerkt habe, dass das eigentlich voll der 90er-Jahre-Flow ist, in dem ich da rappe. Und dann haben Pauli und ich damit so rumgealbert. Wie das gerappt ist, ist eigentlich so, wie die erste Fantastischen-Vier-Sachen, so: „Hallo Smudo!“ – „Hallo! Alles klar?!“
Die musikalischen Zitate und Referenzen, die es bei Euch immer wieder gibt – macht Ihr das für die Eltern?
In allererster Linie machen wir das, weil wir da selber Spaß dran haben und auch dieses Easter-Eggs-Prinzip mögen, dass man irgendwo so kleine Sachen versteckt, über die sich dann der eine oder andere Mensch dann vielleicht auch freut, wenn er sie beim Hören der Musik entdeckt. Da denken wir dann aber schon vor allem an die Eltern.
Ihr habt mittlerweile auch Euer eigenes Label, richtig?
Bei dem Album „Helikopter“ (2019) haben wir den Schritt gemacht, dass wir bei Universal „nur noch“ im Vertrieb sind, und den Rest machen wir selber. Weil wir so Kontrollfreaks sind! Wir können das jetzt alles aus unserer kleinen Bubble heraus entscheiden und machen. Wir müssen nicht mehr so einen Generalstab von Leuten zusammenrufen, wenn wir eine neue Platte machen wollen, sondern das machen wir dann einfach. Deswegen konnten wir auch im Lockdown, als die Tour ausgefallen ist und uns langweilig war, uns dafür entscheiden, ein Weihnachtsalbum zu machen. Innerhalb eines Monats war klar, dass wir das machen und dann haben wir uns da ein halbes Jahr Zeit für genommen, was ja an sich nicht viel ist für ein ganzes Album, aber es hat einfach Bock gebracht. Und das wäre, wenn wir das nicht alles selbst hätten entscheiden können, wahrscheinlich nicht zustande gekommen. Wir genießen da jede Form von Freiheit, die wir uns im Laufe der vergangenen 10 Jahre erkämpft haben!
Von wem würdest Du Dir ein Kinderalbum wünschen?
Philipp von Deichkind. Wir machen ja kein Geheimnis daraus, dass wir die ganz toll finden. Da dachte ich schon bei den ersten Alben von Deichkind, die ja ausdrücklich nicht für Kinder speziell produziert waren, dass die aber auch sowas geiles Verspieltes haben, in der Art, mit Sprache umzugehen. Und dazu so ein Humor, der mich sehr anspricht. Vielleicht müsste Philipp noch eine eigene Band dafür gründen. Hm, wer könnte da noch mit rein?
Ja, Rocko Schamoni wäre auch toll. Philipp von Deichkind, Rocko Schamoni und Helge Schneider noch mit rein, der dann irgendein abgefahrenes Solo auf irgendeinem abgefahrenen Instrument spielt. Dafür würde ich mir sofort Tickets kaufen!
Was ist das Schönste daran, Musik für Kinder zu machen?
Das Gefühl, etwas Neues erschaffen zu haben. Für uns fühlt sich das an wie eine unendlich große Spielwiese, auf der wir uns austoben können, und die auch nach sieben Alben immer noch nicht anfängt, irgendwelche Grenzen aufzuzeigen. Im Gegenteil: Das Feld der Möglichkeiten wird immer größer und es macht immer mehr Spaß. Pauli, Lukas und ich haben uns im gemeinsamen Musikmachen immer besser kennengelernt und wissen jetzt schon intuitiv, was den anderen gefällt, wie man sie ein bisschen pleasen kann! Dadurch, dass wir uns in den ersten Jahren die Hörner aneinander abgestoßen haben, läuft das jetzt sehr intuitiv und mit ganz viel Spaß, wenn wir neue Musik machen. Das ist eigentlich das Schönste! Noch schöner ist, wenn man das gemeinsame Musikmachen irgendwann auf die Bühne bringt. Und diesen Moment mit sehr vielen Kindern und deren Eltern, die sich auch nicht zurückhalten auf unseren Konzerten, teilen kann! Wenn beide Welten aufeinandertreffen und man sich im gemeinsamen Singen verliert. Das klingt abgestanden, aber das ist das, was Konzerte so magisch macht: das verbindende Element der Musik. Und das ist natürlich das Allergeilste.
Das neue Album von Deine Freunde, „Ordentlich durcheinander“, erscheint am 5. Mai.
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