Fleischmützes Mission
Wie „Der Trödel-King“ im WDR die Flohmärkte erobert und jeden Ramsch zur Antiquität macht.
Wenn Omas klein‘ Häuschen versoffen wird, Opas Bierdeckelsammlung noch auf dem Speicher lagert, das Schlümpfe-Universum aus Kindertagen im Keller gefunden wird oder die Tochter sich schweren Herzens von der alten Destille trennen will – dann schlägt die Stunde des Trödel-Kings. Roland Beuge hat einige Merkmale, die ihn für eine kommunikative Arbeit qualifizieren: Er ist Rheinländer, hat einen bizarr angelegten Bart, eine Fleischmütze und trägt extravagante Brillen, die in Form und Farbe signalisieren, dass man es hier mit einem irre komischen Jecken zu tun hat. Der Trödel-King fährt einen Kleinbus, an dem „TK“ steht, was hier nicht „Tiefkühlkost“ bedeutet. Beuge gehört zu jener Spezies, die an warmen Tagen T-Shirts mit lustigen Aufschriften anziehen, etwa „Wenn die Klugen immer nachgeben, geschieht nur das, was die Dummen wollen“.
Auf Flohmärkten erkennt man Typen wie ihn daran, dass sie schon im Morgengrauen den Stand aufbauen, mit Gegensprechanlagen ausgerüstet sind und sofort alle anderen Trödler begrüßen. Kurz darauf fahren sie mit Kinderrollern übers Gelände, probieren alte Hüte auf oder bemerken angesichts von Smokie-Schallplatten, von denen hätten sie auch noch ein paar Scheiben herumliegen. Sie duzen alle Menschen, liebkosen Hunde und kleine Kinder und behandeln ohne Rücksicht auf verschiedene Befindlichkeiten und Vokabulare den Kunstsachverständigen nicht anders als den Wurstbudenbesitzer oder Gartenzwergsammler.
Dass Beuge auch zu jenen rheinischen, oft kölschen Philosophen zählt, die gewöhnlich zur Karnevalszeit ihre Weisheiten wie Kamelle streuen, ist Ehrensache. JOVIAL steht ihm zwar nicht auf die Stirn geschrieben, doch wie anders würde man einen erwachsenen Mann beschreiben, der in kurzen Hosen, mit Socken in Sandalen und Bauchbeuteln durch die Gegend fährt, Greise und Familien besucht und Krempel verramscht, der verblüffenderweise für manche Menschen einen Wert hat? Unvergessen bleibt der Fall eines Fanatikers, der seine Kellerdecke mit Pfennigstücken dekorierte und trotzdem starb, weshalb seine Witwe ungefähr zwei Millionen Münzen von der Decke klauben musste. Das Kind im Manne zwingt manchen dazu, Miniaturmodelle von Formel-1-Autos zu kaufen und in der Verpackung zu belassen, weil sie so später mal mehr wert sein könnten. Andere erwerben Trikots von Borussia Mönchengladbach, horten alte Uniformen, antike Uhren, Werbemützen oder Faschingskostüme, Rüstungen aus dem Dreißigjährigen Krieg, Goldmünzen von den Passagen des Christoph Kolumbus, Fußball-Sammelbilder von 1978, Bierseidel, Jukeboxen, Reklameaufsteller, Kachelöfen und schundige Kitschmalerei.
Doch das Grauen hat Roland Beuge nicht zynisch gemacht. Im WDR ist er am Freitagabend auf Tour, überschreitet dabei auch die Grenze zum Bayerischen, Hessischen, Schwäbischen und Sächsischen, denn Kleinkrämer sind sie allzumal. Die Leute mit dem Trödelkram haben einen Wunsch, meistens: eine Urlaubsreise für Oma, eine Urlaubsreise mit Kindern, eine Reise nach New York, überhaupt eine Reise. Beuge setzt sich erst mal bräsig in die gute Stube und hört sich die langweilige Geschichte an, die er schon von der Redaktion kennt, und begutachtet den Ramsch, den er für einen Tausender verscherbeln soll. Nun wird seine Miene grämlich, er sieht keine großen Chancen, die Familie schaut betreten drein: Puh, ob er dafür „einen guten Preis erzielen“ wird? Ganz ausgefuchste Zuschauer wissen, dass der Trödel-King das Kind schon schaukelt. Nun steht er aber draußen vor dem Kleinbus und sagt mit gespielter Nachdenklichkeit, dass hier keineswegs Spitzenpreise zu erwarten seien, weil beim Kaufmannsladen ein Topf fehlt und an der Kuckucksuhr ein Zapfen. Auch bei Omas Blasengeln sieht er schwarz, weil die Trompeten fehlen. Doch nun fährt er los!
Roland Beuge kennt im Bergischen Land jeden Menschen, der Silber aufarbeitet, antike Badewannen restauriert oder „Yps“-Hefte archiviert. Von seinem inneren Navigator gesteuert, spricht er bei Marketendern, Kniepern und Hökern vor, bemüht Sachverständige, quält Archivare, Kuratoren und Friseure und lockt Rentner, denen noch eine Käthe-Kruse-Puppe zum Glück fehlt, auf die Flohmärkte. Am allerliebsten baut er Tapeziertische auf und vermittelt seinen Schutzbefohlnen den Eindruck, sie seien Virtuosen im Feilschen und gerissen wie Basarhändler. „Eine Hand wäscht das andere Knie“, freut sich Beuge, wenn er mal wieder Klimpergeld bei einem Kniebohrer abgeholt hat, der aus Angst vor dem Fernsehen noch die letzte Anstecknadel kaufen musste.
Der Höhepunkt jeder Sendung ist der Moment, in dem Beuge an einer großen Registrierkasse steht oder vor einem leeren Blatt Papier, auf das er mit dickem Filzstift die eingenommenen Beträge zeichnet. Die Versammelten müssen überraschte Gesichter machen, „Ah!“ und „Nee!“ rufen und behaupten, sie hätten mit manchem gerechnet, aber nicht mit einer solchen Summe. Der Trödel-King strahlt dann.
Seine Wohnung ist wahrscheinlich blank geputzt und enthält keine Gegenstände.