Fleet Foxes live in Berlin: Goldkehlchen im Experimentierfluss
Mit einem komplexen, experimentierfreudigen Gig im Festsaal Kreuzberg in Berlin demonstrieren die Fleet Foxes, dass sie sich nach ihrer mehrjährigen Pause musikalisch stark weiterentwickelt haben. Das liegt vor allem auch an einem selbstbewussten Robin Pecknold.
Die Fleet Foxes sind wieder da. Diese Nachricht ist schon deswegen so schön, weil das alles andere als selbstverständlich ist. Nach zwei sehr guten Alben („Fleet Foxes“, „Helplessness Blues“) hatte die Band um Sänger Robin Pecknold im Jahr 2012 erst einmal Schluss gemacht mit Musik. Drummer Joshua Tillman sagte Lebewohl, um sich als exaltierter Sänger unter dem Namen Father John Misty ein neues Leben im Rampenlicht zu gönnen. Und Pecknold verschlug es erst einmal an die Columbia University in New York, wo er die Wonnen, vor allem aber die Beschwernisse des Kunsthandwerks weit hinter sich ließ. Ein paar andere Gründe mögen noch dazu gekommen sein; man hört sie in den vergrübelten Liedern auf der zweiten LP fast aus jeder Zeile heraus.
„Crack-Up“, der nun vor wenigen Tagen erschienene dritte Longplayer, ist ein kleines Wunder und alles andere als ein zerzauseltes Comeback im eigentlichen Sinne. Die neuen Songs, welche die Fleet Foxes in Deutschland nun am Sonntag (25. Juni) zunächst im kleinen und intimen Rahmen im Festsaal Kreuzberg aufführten, sind gleichsam zersprungen, experimentierfreudig und selbstbewusst. Sie erweitern den künstlerischen Rahmen dieser Gruppe noch einmal um viele anspruchsvolle Referenzen und den fantastischen The-Walkmen-Drummer Matt Barrick am Schlagzeug.
Viele Experimente – reine Magie
Ein wenig brauchen die Musiker, um sich in die neuen Klangflächen hineinzulegen, die Pecknolds im Grunde oft schütteren Folk-Skizzen erheben. „I Am All That I Need / Arroyo Seco / Thumbprint Scar“, der erste Track auf “Crack-Up” und an diesem famosen Abend auch der Start ins Konzert, humpelt noch etwas. Doch natürlich fällt auf, dass es den Fleet Foxes bei der Arbeit an den neuen Tracks vor allem darum ging, den Rahmen, den man sich in der Vergangenheit selbst gebastelt hatte, zu erweitern. Die Goldkehlchenstimme von Robin Pecknold bekommt dazu live wesentlich mehr Raum, der mehrstimmige Gesang wird zugunsten eines ekleltischen, im Fall von „Cassius“ sogar krautrockigen Ansatzes zurückgefahren.
Ohnehin: Dieser Robin Pecknold könnte so vieles anderes machen (anstatt einfach nur Anführer einer ambitionierten Indiekapelle zu sein), wenn er denn wollte. Er könnte so singen wie Jim James bei My Morning Jacket und die größten Bühnen der Staaten füllen. Er könnte wie Marcus Mumford die Massen mit honigüberzogenem Folkpop beglücken. Oder er könnte tagein, tagaus Anrufbeantworteransagen mit seiner raumgreifenden Stimme besprechen. Wie das klingen würde, demonstriert der längst zweifellos im Vordergrund stehen wollende Pecknold zum ersten Zugabeteil, als er – allein auf der Bühne, ohne seine Kollegen – dem Wunsch einer solchen Voicemail-Ansage für einen gewissen Sebastian nachkommt. Später, als das glückselig johlende Berliner Publikum die Band einfach nicht in den Feierabend entlassen will, kommt der Frontmann tatsächlich noch einmal lachend zurück, badet im Jubel und fragt, als wären die Fleet Foxes immer noch eine kleine Stundentenband, die sich ihre Meriten erarbeiten muss, nach Wünschen für die Zugabe. Natürlich und endlich: „Montezuma“.
Jetzt auch mit Psychedelia-Jazz
Die Fleet Foxes lassen es sich selbstverständlich nicht nehmen, großzügig auf den immer noch schmalen Backkatalog zurückzublicken. „White Winter Hymnal“ und Blue Ridge Mountains“ sind Demonstrationen der eigenen Stärke, mit warmen Melodien und blitzsauberen Rhythmen, die das selbstentzündete Lagerfeuer auch bei Regen wie magisch brennen lassen. Es gibt auch ein paar jener verschachtelten Meditationsübungen von „Helplessness Blues“ zu hören (z.B. das sprunghafte „The Shrine / An Argument“). Aber vor allem viele neue Sachen – Folk mit progressiven Elementen („Third of May / Odaigahara“), Psychedelia-Jazz („Mearcstapa“) und immer wieder kleine Folk-Einsprengsel, die ihrer eigenen Harmonien zugunsten von wilden Gitarren-Stakkati und abrupten Tempi-Wechseln opfern.
Spontan fragt Pecknold etwa zur Mitte des Gigs, ob dem Publikum denn die ausufernden Gitarren-Jams in machen neuen Liedern gefallen würden. Das Management hätte ihnen verraten, dass dies vor allem in Deutschland gut ankommen würde. Natürlich rätselt man ein wenig, was der Sänger damit wohl wirklich gemeint hat – und genießt dann die komplexen neuen Soundskizzen, die den Fleet Foxes mit ihrer wunderbaren, notwendigen dritten Platte gelungen sind.