Fleet Foxes: Die Pop-Folkloristen
Die Fleet Foxes aus Seattle verarbeiten Traditionen, ohne dabei alt zu klingen. In den USA und England feiern sie schon Erfolge
Es ist vielleicht ein Jahr her, da hatten die Fleet Foxes ihre erste Band-Krise. Sie kam früh, gerade mal ein paar Monate nach der Gründung. Die Musik, die dem Quintett aus Seattle schon einigen regionalen Erfolg gebracht hatte, schien plötzlich nicht mehr gut genug. Chef-Songwriter Robin Pecknold erinnert sich an den Frust über zu konventionelle Lieder, repetitive Muster – und daran, dass er und seine Band doch eigentlich etwas anderes im Sinn gehabt hatten. „Alles, was wir wollten, war ein Sound, der unreflektiert und ehrlich widerspiegelt, wer wir sind – Bürger der westlichen Vereinigten Staaten, die mit sehr verschiedenen Arten von Musik aufgewachsen sind. Vor allem aber lieben wir Stimmen und das gemeinsame Singen. Wir wollten Musik kreieren, die nicht Formeln wiederholt, sondern eigenständig ist und auch mal einen eingängigen Refrain links liegen lässt, wenn der wirklich schöne Moment an einer anderen Stelle zu finden ist.“
Nach der Wiederbelebung der Band entstanden Lieder, die ziemlich genau umsetzen, was Pecknold beschreibt. Auf dem selbstbetitelten Debütalbum wird klassisch amerikanisch gesungen, zart vielstimmig wie bei Crosby, Stills & Nash. Doch auch englischer Folk und ein ge-legentlicher Beach Boys-Chor mischen sich ins Repertoire. Der weite Hall verleiht der Musik etwas nahezu Hymnisches, amerikanisch Sakrales – was viele Rezensenten prompt sehr ehrfürchtig werden lässt. Unter den schön vermengten Stimmen zirpen meist akustische Instrumente in dezenten Arrangements.
Die Americana der Fleet Foxes ist eine neue amerikanische Folklore wie die von den Felice Brothers, den Great Lake Swimmers und anderen jungen Bands, die sich mit einem musikalischen Rückgriff ihrer Herkunft vergewissern. Und sich dabei überhaupt nicht gestrig vorkommen. „Es gibt wirklich überhaupt keine Intention, alt zu klingen“, wehrt sich Pecknold, „wir reagieren einfach viel stärker auf Stimmen und akustische Instrumente als auf elektrische Gitarren und riesige Trommeln.“
Natürlich beruft auch Pecknold sich auf Traditionen (wer tut das nicht?) und nennt neben Pop, Folk und Psychedelik die Sacred Harp Music des 19. Jahrhunderts einen wichtigen Einfluss – eine Art Kirchenmusik für das gemeinsame Singen im Freien. „Diese Platte dokumentiert die ersten Schritte in unsere eigene Art, Musik zu machen. Wie jedes Neugeborene machen wir Fehler und Entdeckungen und finden so erst langsam heraus, wer wir wirklich sind. Wir können es nicht erwarten, wieder eine Plat-te zu machen.“
Letzteres ist derzeit ein Pro-blem, weil die Fleet Foxes herum gereicht werden und zumindest in den USA und England auf recht enthusiastische Auditorien treffen. Da bleibt nicht viel Zeit, sich um neues Material zu kümmern. In Pecknold ruft das zwiespältige Gefühle hervor.
„Sicher ist es toll, jeden Abend unsere Musik machen zu können, aber wenn ich an all die Lieder denke, die ich nicht schreibe, weil ich nun mal auf Tour bin, werde ich schon etwas nervös. Unsere Musik braucht Ruhe und Natur und Konzentration um zu entstehen. Von all dem haben wir im Moment nicht viel.“ Jörn Schlüter