FKA twigs live in Berlin: Hype um eine Außerirdische
Eine der vielversprechendsten Newcomerinnen des Jahres spielte am Dienstagabend in Berlin im ausverkauften Kesselhaus: hypnotisch, seltsam, sexy.
FKA twigs kommt aus England, ihr Vater ist Jamaikaner, ihre Mutter hat
spanische Wurzeln. Aber eigentlich könnte die 26-jährige Tahliah Barnett
auch eine Außerirdische sein. Als dieses gazellenhafte Wesen durch
violett leuchtende Nebelschwaden auf die Bühne stolziert und die ersten
Töne ihrer hypnotischen Alternative-Electro-R’n’B-Züchtung haucht, liegt
eine unheimliche Atmosphäre im Raum, die durch die Aura der spröden
Industriehalle noch verstärkt wird.
Viel wurde über die schräge Musik von FKA twigs gesprochen, die nicht
nur nach morgen, sondern nach übermorgen klingt, so nebulös
Post-Irgendwas und Neo-Sonstwas und Avant-Dingsbums ist das, was sie da
gebastelt hat. Die Feuertaufe besteht sie: Diese Musik wirkt auch live.
Der Sound ist brilliant, wenn auch die Synthesizer wegen der
dominierenden Beats sich nicht ganz entfalten können. Die Künstlerin
wird von drei Musikern unterstützt, die Midi-Pad, Keyboard und
elektrisches Schlagzeug spielen. Vielleicht vermisst man trotz der Hits
„Two Weeks“ oder „Water Me“ einen Spannungsmoment, ein Highlight des
Abends. FKA twigs schwummerige, schleppende Songgebilde sind eher
wipp- als tanzbar, fast ermüdend, würden sie einen nicht immer wieder
geschickt um den Finger wickeln.
Und selbst wem die Musik schnuppe ist: Die Bewegungen der ausgebildeten
Balletttänzerin wären schon die Eintrittskarte wert. Diese Frau, dieses
Wesen, schweift über die Bühne, tanzt hockend, kniet auf allen Vieren,
schlängelt ihre Arme, kreist ihre Hüften, geschmeidig wie eine
Bauchtänzerin und doch ruckartig zu jedem Beat, beweglich bis in den
kleinen Finger. Für ihr Tanzen erntet sie immer wieder Szenenapplaus.
FKA twigs schmaler, fragiler Körper vergegenständlicht die große Spannung zwischen
Introversion und Extraversion, zwischen Übersexualisierung und
Unnahbarkeit im Pop.
Zu ihrem Image gehört der Schein, nicht ganz von dieser Welt zu sein. FKA twigs
wirkt wie eine Mischung aus einer Cleopatra-Puppe, der kleinen Schwester
von TLC’s Chilli und der blauen Tentakelkopf-Außerirdischen aus dem
Science-Fiction-Klassiker „Das fünfte Element“, die „Diva Dance“
schmetterte – letztere Assoziation nicht zuletzt wegen FKA twigs kiekend
hohen Soprans, dem man anmerkt, dass sie als Jugendliche Operngesang
lernte. Der Mensch hinter der Bühnenrolle bleibt jedoch nicht zu greifen. Nach
ein paar Songs eine kleine Überraschung: Die Außerirdische – sie spricht! Und
bedankt sich sogar ganz nahbar bei den Berlinern, dass sie ihre Musik
durch den Konzertbesuch unterstützen.
Die Frauen im Indie-Publikum ahmen mit ihren 90er-Jahre-Karottenjeans,
Bauchfrei-Hemdchen und Haarknödeln den Look der Sängerin nach. FKA twigs
trägt an diesem Abend einen schwarzen Slip und BH, drapiert mit einem
transparentem Kleid – oder dem, was davon übrig blieb; dazu einen
hüfthohen Xena-Gedächtnis-Schnürstiefel, allerdings nur am linken Bein,
alles andere wäre ja auch nicht seltsam genug. Die ausgefranste
Jeansjacke streift sie nach ein paar Songs unter Jubel des Publikums ab.
FKA twigs hat bisher zwei EPs sowie im August ihr Debütalbum „LP1“
veröffentlicht, entsprechend reicht das Material an diesem Abend für
eine Stunde Programm ohne Zugabe. Spuk aus, Licht an: Diese Frau ist
außergewöhnlich und macht außergewöhnliche Musik. Believe the hype.
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