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Finale: Die zehn besten Sänger aller Zeiten
Mit James Brown, Stevie Wonder und Elvis Presley.
10. James Brown. Text von Iggy Pop: James Brown war für mich nie nur eine Stimme, sondern das ganze Paket. Aber die Wirkung dieser Stimme gab mir Hoffnung, weil sie ohne großen Firlefanz serviert wurde und nichts mit einer vermeintlichen Riesenstimme zu tun hatte. Und dieser Schrei, der von ganz tief drinnen zu kommen schien und die Rechte eines Urmenschen einforderte: „Ich bin lebendig, ich kann alles Mögliche tun!“ Seine Tanzbewegungen nannte er „afrikanische Nervensteuerung“. Das ergab Sinn. Auf seinen ganz frühen Platten versuchte er, Standards zu singen. Dafür reichte es aber nicht ganz. Ich hörte ihn das erste Mal auf „Live At The Apollo“, das war ein paar Jahre später. Ich arbeitete damals in einem Plattenladen. Auf „Apollo“ gibt es immer noch eine Menge traditioneller Songs – „Try Me“, „Lost Someone“.
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IM.
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10. James Brown. Text von Iggy Pop: James Brown war für mich nie nur eine Stimme, sondern das ganze Paket. Aber die Wirkung dieser Stimme gab mir Hoffnung, weil sie ohne großen Firlefanz serviert wurde und nichts mit einer vermeintlichen Riesenstimme zu tun hatte. Und dieser Schrei, der von ganz tief drinnen zu kommen schien und die Rechte eines Urmenschen einforderte: „Ich bin lebendig, ich kann alles Mögliche tun!“ Seine Tanzbewegungen nannte er „afrikanische Nervensteuerung“. Das ergab Sinn. Auf seinen ganz frühen Platten versuchte er, Standards zu singen. Dafür reichte es aber nicht ganz. Ich hörte ihn das erste Mal auf „Live At The Apollo“, das war ein paar Jahre später. Ich arbeitete damals in einem Plattenladen. Auf „Apollo“ gibt es immer noch eine Menge traditioneller Songs – „Try Me“, „Lost Someone“.
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Aber was mich vom Stuhl riss und mir neue Ideen gab, war die Kontinuität, mit der er diese Sachen brachte. Zuerst das lange Intro und diese unglaublich detaillierte Eingangsmusik. Und wenn James dann einsteigt, hält er sich erst mal sehr zurück, arbeitet mit dynamischen Effekten, laut und dann wieder ganz sanft. In „Lost Someone“ kommt diese rauschhafte Wiederholung, wo die Band ständig zwischen zwei Harmonien wechselt und er in einem fort sagt: „I’ll love you tomorrow.“ Und dann kommt es plötzlich – „Uh!“ – wie eine Ohrfeige, und die Band antwortet. Nichts davon ist zufällig, aber es klingt auch nicht forciert oder nach Zwangsjacke.
Er war ein sagenhafter Arrangeur. Das Stück, das mich komplett ausrasten ließ – ich weiß noch, dass ich es im Auto hörte –, war „I Can’t Stand It“.
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Er pfiff auf den Refrain, pfiff auf die Melodie, es war kaum mehr als ein Riff übrig, aber er trieb die Band an wie der Steuermann einer römischen Galeere: Rudert, ihr Wichser, uh!
Seine Balladen haben immer irgendwo eine scharfe Kante, die einem zeigt, dass es um etwas Reales geht. Eine der weniger bekannten ist „Mama’s Dead“ auf „Black Caesar“. Die haut mich jedes Mal um. Am Ende, nachdem er all diese hammerharten Sachen erzählt hat, sagt er einfach: „Jeder hat eine Mutter, und du weißt, wovon ich rede.“ Oder im Refrain von „It’s a Man’s Man’s Man’s World“ – ein weniger genialer Künstler würde sagen: „It wouldn’t mean nothin’ without a woman“. Oder „without a girl“. Aber nicht beides. Das ist nicht nur einfach ein Text. Er singt über etwas Urtümliches und Grundlegendes.
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Er erklärt uns, wie eine Gesellschaft funktioniert. Was Geld für eine Rolle spielt. Vielleicht deshalb, weil er zu Beginn seines Lebens selbst nicht viel besaß. Der bewegendste Teil seiner Autobiografie ist für mich der, wo er mit seinem Vater Tannenbäume anzapft, um Harz zu ernten. Das ist echte Armut.
Das Wichtigste, was er mir beibrachte: Steh nicht rum und glotz auf deine Schuhe. Fuck that. Mach was. Er selbst klingt immer so, als ob er gerade ausbrechen will. Wenn man sich erst mal dazu entschlossen hat, sich da draußen hinzustellen und loszugrooven, wird so vieles einfacher. So schafft man Bewegung in einer Gesellschaft, die auf Ordnung basiert.
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Und man fühlt sich anders, tief drinnen. Die Bewegung verändert einen als Sänger, befreit einen von dem ganzen gespreizten Zeugs.
In solchen Situationen hat Musik eine kathartische Kraft und die Typen, die so was machen, wissen das ganz genau. Deshalb konnte sich James Brown „Soul Brother Number One“ nennen – und niemand hat ihn je einen Angeber genannt.
Geburtstag: 3. Mai 1933 (gestorben: 25. Dezember 2006). Wichtigste Songs: „I Got You (I Feel Good)“, „Papa’s Got A Brand New Bag“, „The Payback“, „Give It Up Or Turnit A Loose“.
Inspiration für: Michael
Jackson, Sly Stone, Prince, George Clinton
9. Stevie Wonder. Text von Cee-Lo. Für mich klingt Stevie Wonders Stimme immer nach Freudentränen – als müsse er gleich losheulen, aber vor Freude und Zufriedenheit, nicht vor Schmerz wie zum Beispiel Sly Stone.
Seine Stimme besitzt Fülle und Klarheit, egal in welcher Tonlage. Sein Vibrato trifft einen wie ein Pfeil, ohne dass die normale Singstimme darunter verloren geht.
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Vermutlich hat die Blindheit seine anderen Sinne geschärft, seine bildliche und emotionale Vorstellungskraft. Das macht seine Musik sehr visuell, sehr grafisch.
Das erste Mal sah ich Stevie Wonder in dem Film „Cooley High“, in dem er „Fingertips“ sang. Sein Selbstbewusstsein beeindruckte mich sehr – er schien genau zu wissen, wer er war. Also fing ich an, mich durch seine Platten zu arbeiten.
„Talking Book“ und „Innervisions“ hatte ich schon bei meinem Onkel gesehen, aber nicht gehört. Jetzt entdeckte ich Sachen wie „Superwoman“, „I Ain’t Gonna Stand for It“ und natürlich „Ribbon In The Sky“. Unglaublich, was er mit diesen Songs anstellt. Und seine Stimme, so vielseitig und abwechslungsreich. Sein Selbstgefühl ist übermenschlich. Er weiß genau, wer er ist, worin seine Aufgabe liegt, welche Verantwortung er hat.
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Aber er freut sich darüber, auserwählt zu sein, und das macht ihn zu dem, was er ist. Fast so etwas wie ein Wunder.
Geburtstag: 13. Mai 1950. Wichtigste Songs: „Superstition“, „Sir Duke“, „Signed, Sealed, Delivered I’m Yours“
Inspiration für: Donny Hathaway, Maxwell, Adam Levine.
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8. Otis Redding. Text von Booker T. Jones: Als ich Otis zum ersten Mal sah, hatte ich keine Ahnung, wer er war. Ich stand vor dem Stax-Gebäude, 926 East McLemore Avenue in Memphis, und dieser Typ lud Koffer und anderes Zeug aus einem Kombi und schleppte sie ins Studio. Das Zeug gehörte dem Sänger Johnny Jenkins, den Otis damals chauffierte. Ich sah ihn erst nachmittags wieder, als er zum Vorsingen kam. Er sang „These Arms Of Mine“, in B-Dur.
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So wie er das Stück brachte, war es ein Konzert, kein Vorsingen. Das lag nicht daran, dass er eine so mächtige Stimme hat, davon gibt es viele. Es war die Intensität, mit der er sang. Er bestand nur noch aus Emotion. Ich dachte: „Dieser Typ singt definitiv nicht wegen des Geldes.“ Ich glaube, das hat er nie getan.
Sein Stimmumfang war auch nicht so berühmt. Ganz unten und ganz oben spielte sich bei ihm nicht viel ab. Aber Otis war zu allem bereit, was Gefühl transportierte, und da kam seine Physis ins Spiel, weil er ein so starker und kräftiger Mann war. Hinter der Bühne wirkte er wie ein Profiboxer, der auf seinen Kampf wartet.
Mit ihm „Respect“ zu spielen, war pure Energie und überschäumende Freude. Wenn er nicht singen konnte, war Otis eher unkonzentriert und unsicher. Im Studio bewegte er sich anders als auf der Bühne, hielt sich mehr zurück. Beeindruckend war es trotzdem. Wenn er zuerst mit dem linken und dann mit dem rechten Fuß stampfte, strengten sich alle noch mehr an. Er besaß diese magnetische Anziehungskraft – „I’m a man!“ –,
Das ist ein Gefühl, das jeder kennt, und genau so hat er es rübergebracht.
Geburtstag: 9. September 1941 (gestorben: 10. Dezember 1967). Wichtigste Songs: „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“, „ These Arms Of Mine“, „Try A Little Tenderness”
Inspiration für: Al Green, Toots Hibbert,
Chris Robinson.
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7. Bob Dylan. Text von Bono: Bob Dylan hat geschafft, was nur sehr, sehr wenige Sänger schaffen – er hat anders gesungen als irgendjemand vor ihm. Heute leben wir in einer Welt, die von seinem Gesang geprägt ist. Fast niemand singt mehr wie Elvis Presley, aber Hunderte versuchen, wie Dylan zu klingen. Als Sam Cooke dem jungen Bobby Womack Dylan vorspielte, wusste der damit nichts anzufangen. Cooke erklärte es ihm dann: Ab sofort kommt es nicht mehr darauf an, wie schön eine Stimme ist. Was zählt ist nur, ob du ihr glaubst, dass sie die Wahrheit sagt.
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Um Dylans Bedeutung als Sänger zu verstehen, muss man sich eine Welt ohne Tom Waits, Bruce Springsteen, Eddie Vedder, Kurt Cobain, Lucinda Williams und jeden anderen Vokalisten mit Reibeisenstimme, Straßenköterkläffen oder Bluesgeheul vorstellen. Die Liste ist lang, aber auch Dylan hatte eine ganze Menge Vorbilder, von Allen Ginsbergs Talmud-Rezitationen in „Howl“ bis zum staubtrockenen Humor Woody Guthries und dem Gemurmel von Lefty Frizell. In seiner Stimme liegt Eisenerz vergraben, und die bitterkalten Winde von Minnesota blasen darüber hinweg. Sie ist wie eine geballte Faust, was Dylan erlaubt, zutiefst melancholische Lieder zu singen, ohne sentimental zu werden. Interessanterweise öffnet sich die Faust mit dem Alter, lässt ein we-nig Verletzlichkeit zu. Wenn er heute „Idiot Wind“ singt, klingt er manchmal wirklich wie ein Idiot.
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Das erste Mal hörte ich Bob Dylans Stimme im Dunkeln, vom Plattenspieler meines Freundes. Ich war 13 Jahre alt. Es war das „Greatest Hits“-Album, sein erstes. Die Stimme sang über moderne Themen, klang aber gleichzeitig uralt. Für irische Ohren wirkte sie seltsam vertraut. Wir dachten damals, Amerika sei bevölkert von Superhelden, doch die Leute in seinen Songs waren alles andere als das – Bauern, Menschen, denen übel mitgespielt worden war. Das Ungewöhnliche an Bob Dylan war, dass er uns in den 60er Jahren für kurze Zeit wie die Zukunft erschien. Er war die Stimme einer Generation, die sich gegen die Generationen davor erhob. Doch dann wurde er zur Stimme aller Generationen, die Stimme der Geister – 30er Jahre, Dust Bowl, Gershwin und Varieté.
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Diese Bilder von ihm im gepunktetem Hemd, mit Afro und spitzen Schuhen – das war ein kurzes Aufblitzen. Für gewöhnlich stellt er seine Stimme in den Dienst archaischerer Figuren. Hier ein paar der Adjektive, mit denen ich seine Stimme beschreibe: heulend, verlockend, rasend, entrüstet, spöttisch, flehend, bettelnd, einschüchternd, bekennend, wehklagend, jammernd, tröstend, unterhaltend, schmeichelnd. Eine Stimme wie Rauch, von Zigarren oder Weihrauch, voller Geheimnis und Andacht. Eine Stimme für jeden Dylan, der dir begegnen kann, und das ist auch der Grund, warum Bob Dylan mich niemals langweilt – weil es so viele von ihm gibt und alle irgendwie als Pilger unterwegs sind. Die Leute vergessen, dass Bob Dylan das Publikum aufwärmen musste, bevor Martin Luther King seine großartige „I have a dream“-Rede hielt – dem Prediger ging der Pilger voran.
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Dylan hat so viele Rollen in seinen Songs gespielt, weil er auf diese Weise seinen Themen Leben einhaucht. Sein Schrank ist übervoll mit den Schuhen der Leute, die durch seine Geschichten wandern. Ich liebe das Album „Shot Of Love“. Null Produktion. Man sitzt in einem Zimmer und hört ihm beim Singen zu. Und ich mag viele der Songs, die er mit Daniel Lanois aufgenommen hat – „Series Of Dreams“, „Most Of The Time“, „Dignity“. Das ist die Periode, die mich am meisten berührt, in der Stimme und Worte eins werden. Keine Darbietung mehr, nur Leben – der Tänzer wird zum Tanz, wie Yeats sagte.
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Dylan hat mit dem Singen gemacht, was Brando mit der Schauspielerei gemacht hat – sich durch die Tricks und Kniffe gepflügt, um zur Kunst zu kommen, die von den Gralshütern der Zunft aufgestellten Regeln in der Luft zerfetzt, die vierte Mauer durchbrochen, sich vor dem Publikum aufgepflanzt und geknurrt: „Wehe, du denkst, es ist mir nicht ernst!“
Geburtstag: 24. Mai 1941. Wichtigste Songs: „Like A Rolling Stone“,
„Lay Lady Lay“, „Visions Of Johanna”
inspiration für: John Lennon, Bruce Springsteen, Patti Smith, Conor Oberst
6. Marvin Gaye. Text von Alicia Keys: Niemand sonst klingt wie Marvin Gaye. Er sang so sanft, fast zärtlich, und doch mit so viel Kraft. Das kam bei ihm direkt aus dem Herzen. Alles in seinem Leben, alles, was er dachte und fühlte, beeinflusste seinen Gesang. Meine erste richtige Begegnung mit Marvin Gaye war das Album „What’s Going On“, in das ich mich sofort verliebte.
Copyright: Rob Verhorst
Wegen seiner fantastischen Musikalität natürlich, aber auch, weil ich seine Verzweiflung über den Zustand der Welt so rührend fand. Was mir besonders gefällt, ist die Art, wie er den Streichern mit der Stimme folgt oder eine Instrumentalphrase aufnimmt. Das hat eine einfache, unaufdringliche Eleganz, die der Musik zusätzliche Qualität verleiht.
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Heute gibt es ProTools und tausend Spuren, und man kann auf jede Spur eine andere Stimme legen. Damals musste man erfinderisch sein, um es hinzukriegen, dass Marvin sich in einem Song selbst antworten konnte, oder um seine Stimme so weit in den Hintergrund zu mischen, dass sie wie ein Echo klang. Marvin brachte jeden Song mit einer solchen Klarheit, dass es mir Schauer über den Rücken jagte.
Die Live-Version von „Distant Lover“ ist sicher eine der unglaublichsten Performances, die je auf Band festgehalten wurde. Man spürt seine Zuversicht, seine Sehnsucht – man kann sich vorstellen, wie er sich auf der Bühne bewegt. Das Publikum hängt an seinen Lippen, und er macht mit ihm, was er will. Das ist es, was Marvin Gaye unsterblich macht: die Gefühle, die er weckt.
„What’s Going On“ hat meine ganze Welt verändert – mein Leben, meine Songs, einfach alles.
Geburtstag: 2. April 1939 (gestorben: 1. April 1984).
Wichtigste Songs: „What’s Going On“, „Let’s Get It On“, „I Heard It Through the Grapevine“
Inspiration für: D’Angelo, R. Kelly, Usher
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5. John Lennon. Text von Jackson Browne: In allem, was John Lennon machte, lag eine ungeheure Intimität, die sich mit einem beeindruckenden Intellekt paarte. Das machte ihn zu einem so großartigen Sänger. „Girl“, auf „Rubber Soul“, beginnt mit dieser hohen, stählernen Stimme: „Is there anybody going to listen to my story…“ Da steckt so viel Spannung drin, als würde jemand ganz plötzlich aus dem Schatten treten. Doch wenn der Refrain einsetzt, merkt man: Eigentlich spricht er direkt zu ihr.
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Als ich das als Teenager hörte, entsprach es genau meinem damaligen Gefühlszustand – ständig brennend vor sexueller Begierde, aber mit einem leisen Bedauern, dass man sich so wenig unter Kontrolle hat.
John war sich seiner Gefühle sicher, und das konnte man in seinen Songs hören. Bei John Lennon und den Beatles wird oft übersehen, dass es für Angehörige der Liverpooler Arbeiterklasse ungewöhnlich war, in eine höhere Gesellschaftsschicht katapultiert zu werden und ihre Wurzeln, ihre Sprache und Stimme nicht zu verstecken. Es war mutig von ihnen, sich nicht zu ändern. Mit jedem Wort, das Lennon sang, sagte er, wer er war und woher er stammte.
Er sang nicht sehr laut. Das wurde mir klar, als ich „Oh My Love“ von „Imagine“ lernte.
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Der Song muss leise gesungen werden, und dafür braucht man eine Menge Kraft. Das ist paradox – um leise und hoch zu singen, muss man körperlich stark sein. In „I’m Only Sleeping“ von „Revolver“ klingt er schläfrig, als würde er gerade im Bett liegen. Oder „I’m So Tired“ auf dem Weißen Album – da wirkt er irgendwie gereizt. Diese Songs leben in einem weiter, weil der Sänger es schafft, einen bestimmten Moment in all seinen Facetten darzustellen. „Imagine“ ist eine Meisterleistung. Während er singt, macht er die Sehnsucht nach einer Welt, in der echter Friede herrscht, für uns lebendig. Und er singt mit einer Furchtlosigkeit, die Polemik ebenso verhindert wie Kitsch.
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Es ist wunderbar, wenn eine Idee so klar ausgedrückt wird, dass jeder sie singen kann – und singen möchte.
Je mehr er sich als Songwriter weiterentwickelte, desto öfter konnte er seine Stimme in einem neuen Kontext zeigen. Wie er „A Day In The Life“ singt, diese Einsamkeit. Und auf „John Lennon/Plastic Ono Band“ entblößt er sich völlig, drückt seinen Schmerz kompromisslos aus: „Mother/ You had me/ But I never had you“.
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Ein vernichtendes Fazit, das man nie mehr vergisst. „Double Fantasy“ ist leichter, optimistischer, mit wunderschönem Gesang – vielleicht weil er damals zu Hause seinem Sohn vorsang. John Lennon musste sich das Leben, das er hatte, teuer erkaufen. Er musste manches aufgeben, um anderes zu bekommen. Und mit vielen Themen konnte er sich dann nicht mehr beschäftigen.
Aber was verblüffend ist – er hat immer die Wahrheit gesagt.
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Er hielt es für sein Recht, sich zu äußern, und das verleiht seiner Stimme ihre bemerkenswerte Identität. as hat nichts mit außergewöhnlicher Technik zu tun. John Lennon ging ohne Umwege zu dem, was er fühlte, was er zu sagen hatte.
Geburtstag: 9. Oktober 1940 (gestorben: 8. Dezember 1980).
Wichtigste Songs: „I Feel Fine“, „Strawberry Fields Forever“, „Imagine“, „Instant Karma”
Inspiration für: Bono, Neil Young, Liam Gallagher.
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4. Sam Cooke. Text von Van Morrison: Wenn ein Sänger nicht aus seiner Seele heraus singt, mag ich gar nicht zuhören – das ist nichts für mich.
Sam Cooke stieg ganz tief hinab in seine Seele. Er konnte etwas, das nur wenige können – Gospel so singen, wie es sich gehört, wahrhaftig, sauber, direkt.
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Gospel hat Sam Cooke durch seine besten Songs geführt, so wie Ray Charles, der vor ihm kam, und Otis Redding.
Seine Stimme war unvergleichlich. Sam Cooke konnte singen, was er wollte, bei ihm klang alles gut. Die Qualität eines Sängers hat mit dem Stimmumfang nichts zu tun. Cookes Stärke war der Vortrag – wie er etwas phrasierte, die Absolutheit, mit der er sang.
Es gibt viele großartige Songs von ihm, aber einer meiner Favoriten ist „Bring It On Home To Me“. Einfach ein gut gemachter Song mit tollem Text und toller Melodie. Ein Song, mit dem man alles machen kann. „A Change Is Gonna Come“ habe ich auch gecovert, ein sehr schönes Arrangement.
Diese Musik beherrschen nicht mehr viele Leute, nicht so wie Sam Cooke, der aus der Tradition der Kirche kam.
Was können wir von einem Sänger wie ihm lernen, von Songs wie „A Change Is Gonna Come“? Das hängt davon ab, was für ein Sänger man selbst ist, wo die eigenen Talente liegen, wie ernsthaft man an die Sache rangeht. Sam Cooke war einfach zum Sänger geboren.
Geburtstag: 22. Januar 1931 (gestorben: 11. Dezember 1964).
Wichtigste Songs: „A Change Is Gonna Come“, „Bring It On Home to Me“, „You Send Me“.
Inspiration für: Otis Redding, Art Garfunkel,
Rod Stewart
Copyright: Notnow (Collectors Mine)
3. Elvis Presley. Text von Robert Plant: Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die nur singen, und denen, die mit ihrer Stimme an einen anderen, jenseitigen Ort gehen, die in sich eine Euphorie erzeugen. Man verwandelt sich. Ich habe das selbst erlebt. Und ich weiß, dass Elvis das auch konnte. Mein erster Elvis-Song war „Hound Dog“. Ich wusste damals noch nichts von Big Mama Thornton oder wo der ganze Swing herkam. Ich hörte nur diese Stimme, die ihren absolut eigenen Platz hatte. Die Stimme war souverän, verführerisch, gnadenlos. Sie glitt auf und ab, stürzte sich auf Noten wie ein Raubvogel auf die Beute.
Ich nahm das alles auf, man hört es bei Led Zeppelin an allen Ecken und Enden. Als ich Elvis traf, nach einem unserer Konzerte Anfang der 70er Jahre, nahm ich ihn erst mal unter die Lupe. Er war nicht so groß wie ich, hatte aber einen ordentlichen Brustkorb – wichtig als Resonanzkörper. Und er war ein Besessener. „Anyway You Want Me“ ist das Bewegendste, das ich je aus dem Mund eines Sängers gehört habe. „Jailhouse Rock“ und die Songs, die bei den King-Creole-Sessions herauskamen – unvergleichlich. Wenn ich mir heute die Sun-Aufnahmen anhöre und auf seine Karriere zurückblicke, denke ich:
Copyright: XNBG/ddp /AP
„Wow, was für ein Anfang.“ Aber am meisten gefielen mir die modernen RCA-Sachen. „I Need Your Love Tonight“ und „A Big Hunk O’ Love“ hatten so viel Power – diese Sessions klingen, als hätte man sich damals an keinem besseren Ort der Erde aufhalten können. Bei unserem Treffen damals scherzte Jimmy Page, wir würden nie Soundchecks machen, aber wenn doch, würden wir nur Elvis-Songs singen. Elvis fand das lustig und fragte, welche Songs das wären. Die besonders stimmungsvollen, sagte ich, wie dieses tolle Country-Stück, „Love Me“: „Treat me like a fool/Treat me mean and cruel/But love me.“ Als wir uns verabschiedeten, nach sehr amüsanten 90 Minuten, und ich den Flur runterging, kam er aus der Tür, grinste und fing an zu singen:
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„Treat me like a fool…“ Ich drehte mich um, fiel ein – und dann standen wir da und besangen uns gegenseitig.
Sein Umfeld verhinderte, dass er mit moderneren Songschreibern zusammenkam. Als er starb, war er 42. Ich bin jetzt 18 Jahre älter, aber ihm fehlten damals neue Partner, frische Beziehungen – seine alten Kumpel konnten ihm nichts Neues beibringen. Ich weiß, dass er mehr von sich zeigen wollte.
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Aber mir – als Sänger – hat er es möglich gemacht, zu diesem jenseitigen Ort zu kommen.
Geburtstag: 8. Januar 1935 (gestorben: 16. August 1977).
Wichtigste Songs: „Mystery Train“, „Hound Dog“, „Suspicious Minds“
Inspiration für: Bono, Bruce Springsteen
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2. Ray Charles. Text von Billy Joel: Ray Charles hatte die eigenwilligste Stimme, die es je in der „leichten“ Musik gab. Er liebte es zu improvisieren, einen kleinen Lacher oder ein „Huh-hey!“ einzubauen. Als wäre ihm beim Singen plötzlich etwas eingefallen, auf das er einfach reagieren musste. Er hatte Freude an dem, was er tat. Und seine Freude war ansteckend. Aber da war noch etwas anderes, das ich erst erkannte, als wir in den 80er Jahren zusammen meinen Song „Baby Grand“ sangen.
Ray Charles singt nicht nur mit Soul, er lässt einen auch einen Blick in seine Seele werfen. Man hört etwas, das ganz tief in ihm drin steckt. Ich fürchtete, dieses Erlebnis würde mich in eine kleine Null aus Levittown/New York verwandeln. Stattdessen machte es mir Mut. Es war wie ein Erweckungserlebnis, er der Prediger und ich die Gemeinde. Es machte mich richtig heiß.
Ray wollte anfangs wie Nat „King“ Cole klingen. Wenn Nat ganz tief sang, wie in „Mona Lisa“, war da ein Grollen in seiner Stimme, das irgendwie sexy klang. Ray machte daraus etwas Neues.
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Er nahm das Grollen und verwandelte es in Gesang. Er nahm das Jaulen, das Keuchen, das Grunzen, das Stöhnen und machte daraus Musik. Und er konnte Klavier spielen. Das Klavier ist eigentlich ein Schlaginstrument, man muss es mit dem ganzen Körper spielen. Ray hatte Körperbewegungen drauf, die ich noch nie gesehen hatte. Aber ich hatte sie gehört, wenn er sang. Ich hörte seine linke Schulter ein bisschen nach oben gehen, hörte, wie er sich von seinem Stuhl erhob. Erst da wurde mir klar, dass die Stimme, die ich hörte, auch das Klavier spielte.
Das Erste, was ich von Ray hörte, war „Modern Sounds In Country And Western Music“. Er hatte davor schon Hits gehabt, R&B-Sachen wie „What’d I Say“.
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Doch auf einmal war da ein schwarzer Mann, der einem die weißestmögliche Musik in der schwärzestmöglichen Verpackung zu einem Zeitpunkt servierte, als die Bürgerrechtsbewegung alles auf den Kopf stellte. Wenn er „You Don’t Know Me“ sang, dachte ich: „Er singt nicht nur den Text. Er sagt: ‚Ihr kennt mich nicht. Ihr sollt mich kennenlernen.‘“ Ray konnte raffinierte Sachen mit einem Song anstellen. Seine Version von „America The Beautiful“ 1972 war richtungweisend. Er legte so viel Gefühl hinein. Es war seine Art zu sagen: „Dies ist auch mein Land. Wir haben euch die Musik gegeben, die ihr heute so gern hört. Sie gehörte uns, bevor sie euch gehörte.“
Ray hat den Blues in eine Sprache übersetzt, die jeder verstehen konnte.
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Wenn man Ray Charles hört, weiß man einfach, dass dieser Mann seine Musik gelebt hat. Er zeigt uns seine Menschlichkeit, lässt uns seine Spontaneität hören. Jemand anders würde sagen: „Das war ein Fehler, das können wir nicht drinlassen.“ Ray ließ so was drin. Und aus dem Fehler wurde das Highlight des Songs.
Geburtstag: 23. September 1930 (gestorben: 10. Juni 2004). Wichtigste Songs: „What’d I Say, Pts. 1 & 2“, „I Got A Woman“, „You Don’t Know Me“, „Georgia On My Mind“
Inspiration für: Van Morrison, Otis Redding, Stevie Wonder.
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1. Aretha Franklin. Text von Mary J. Blige: Man weiß, wenn etwas vom Himmel gesandt ist. Man weiß, wenn Gott seine Hand im Spiel hatte. Und Aretha ist ein Geschenk Gottes. Wenn es darum geht, sich mit jeder Faser in einen Song einzubringen, kann ihr niemand das Wasser reichen. Sie ist der Grund, warum Frauen singen wollen. Aretha hat alles – die Kraft, die Technik. Sie ist ehrlich in allem, was sie sagt. Alles was sie denkt oder tut, ist in ihrer Musik zu finden, von „Chain Of Fools“ bis „Respect“ und ihren Live-Auftritten. Und sie zweifelt keine Sekunde an sich.
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Ich glaube, dieses Selbstvertrauen hat mit ihrer Verwurzelung im Gospel zu tun, weil man im Gospel nicht herumspielt – da geht es darum, wer am meisten drauf hat, wer die besten Parts kriegt. Für sie ist das alles nicht nur ein Spiel. Als ich klein war, liefen „Do Right Woman“ und „Ain’t No Way“ bei uns jeden Tag. Meine Mutter weinte, wenn sie diese Songs hörte, und ich weinte mit. Durch den Soundtrack zu „Sparkle“ entdeckte ich Aretha dann für mich selbst. Ich glaube, ich habe „Giving Him Something He Can Feel“ 30 Mal hintereinander gespielt, bis mir klar wurde, dass das ja die Stimme war, die meine Mutter so gerne hörte.
Sogar die Art, wie sie Wörter ausspricht, ist fantastisch: In „Giving Him Something He Can Feel“ singt sie „Many say that I’m too young“ – und wie sie „I’m“ sagt, man kann es fast sehen, sie ist stinksauer, aber du hängst immer noch an ihren Lippen. Ich sehe ihre Hände vor mir, wenn sie auf „Ain’t No Way“ singt „You’re tying both of my hands“, weil sie das Wort „both“ dermaßen attackiert.
Wenn man sie bei der Arbeit sieht, erkennt man, warum Aretha so ist, wie sie ist.
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Als wir „Don’t Waste Your Time“ für mein Album „Mary“ aufnahmen, marschierte sie einfach rein und verputzte die Platte wie Pac-Man. Sie konnte eine Gospel-Phrase singen, und es wurde etwas Spacig-Jazziges draus, das ich noch nie gehört hatte: „Wo kam das denn jetzt her? Wo hat sie denn den Ton gefunden?“ Es ist wunderbar, so etwas zu erleben, weil es Menschen hilft, die nicht so recht an ihr Talent glauben mögen, so wie ich. Ich schaue sie an und denke:
Copyright: David Redfern/Redferns
„Davon brauche ich auch ein Stück. Was immer es ist.“
Geburtstag: 25. März 1942.
Wichtigste Songs: „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman,“ „Respect,“ „I Never Loved A Man (The Way I Love You),“ „Think,„ Chain Of Fools“
Inspiration für: Whitney Houston, Alicia Keys, Aaron Neville, Annie Lennox
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