Fernsehfilm ‚Komasaufen‘: Nüchtern kaum zu ertragen
Die ARD als pädagogische Anstalt: Der Fernsehfilm "Komasaufen" bebildert Klischees.
Gibt es eigentlich noch die Sendung „ARD-Ratgeber“? Zumindest im öffentlich-rechtlichen Hörfunk müssten die Problem-Formate überlebt haben, bei denen der Hörer an die Hand genommen wird, überforderte Erziehungsberechtigte Hilfe suchen und anonyme Betroffene ihr Leid schildern. „Komasaufen“ von Bodo Fürneisen ist gefilmtes Hörspiel, eine Klischee-Anordnung, in der jeder seinen Platz hat: Der 16-jährige Lukas Güttler ist ein verstocktes, phlegmatisches Scheidungskind, das mit Karsten, dem forschen Freund von Mutter Beate, an Felshängen klettern muss; in seinem kleinen Zimmer schaut der Junge abends Pornos auf dem Laptop, manchmal riskiert er einen Seitenblick auf die jugendliche Zeitungsausträgerin. In der Schulclique gilt er als ängstlicher Außenseiter, die von ihm bewunderte Sylvia ist mit dem Großmaul der Klasse zusammen.
Nur der gütige, wenn auch erfolglose Vater Jochen bietet ein Refugium: In dessen Autowerkstatt beweist sich Lukas nachmittags ausgerechnet beim Aufräumen; Vater sagt immer „Na, Großer!“ und bolzt schon mal mit der Belegschaft auf dem Hof. Derart angefeuert, widerspricht Lukas trotzig Ersatzvater Karsten, ignoriert dessen Geburtstag und biedert sich bei Fähnleinführer Timo an, indem er eine Saufparty in der Werkstatt ermöglicht. In einem Auto kopuliert Timo mit Sylvia, das wird Folgen haben. Die verhasste Mathematik-Lehrerin wird von dem Klüngel mit lancierten Liebes-Mails bloßgestellt. Mutter Beate fürchtet, sich zwischen dem Freund und dem Sohn entscheiden zu müssen.
Lukas befreundet sich mit der Zeitungsausträgerin, die auch Serviermädchen in der Disco ist, und nimmt sie mit ins Neureichen-Haus von Timos Eltern. Dekorativ stehen überall Schnapsflaschen herum, die Pubertierenden schlucken mit verzerrten Gesichtern, als hielte ihnen jemand eine Waffe an den Kopf. Die eben gewonnene Freundin mag nicht mittun („Das ist nicht Feiern, das ist Saufen!“), denn ihr Vater ist am Alkohol gestorben; sie läuft weg. Jetzt besäuft sich Lukas so richtig und erwacht im Krankenhaus. Der Arzt erklärt der Mutter, was es mit dem Komasaufen auf sich hat: Der Jugendliche lasse damit den Druck entweichen. Sylvia ist schwanger und trinkt noch mehr Bier – schon sind erste Deformationen beim Fötus festzustellen, woraufhin ein anderer Arzt einen Vortrag hält. Lukas und Sylvia kommen sich näher und trinken mal kein Feierabendbier, doch da …
Bodo Fürneisen zeigt die Welt der Alkopops so, wie die Altvorderen es sich vorstellen: am Anfang ein „Kleiner Feigling“, und am Ende wird die Tankstelle leergeräumt. Die überforderten Laiendarsteller stehen herum und sagen hilflose Sätze auf; Markus Quentin spielt Lukas als sensibel-vernuschelten Schluck Eierlikör in der Kurve, Oliver Mommsen ist als Ersatzvater fehlbesetzt, Aglaia Szyszkowitz als Mutter tut einem leid. Zu keinem Zeitpunkt glaubt man, dass hier Komatrinken stattfindet – Drehbuchautor Bernd Böhlich lässt die Jugendlichen reden, wie noch kein Jugendlicher geredet hat, die Konstellationen sind künstlich, die Darsteller sagen ihre Texte unbeteiligt auf. Nüchtern ist das kaum zu ertragen.
Nach „Komasaufen“ wird wahrscheinlich über die Problematik diskutiert. Vielleicht ist auch ein Jugendlicher dabei.
ARD, 20.15 Uhr