Familienalbum, ewige Talente & ein Gruß von Ringo: die Alben der Woche vom 27. März
Sufjan Stevens hat sein bisher intimstes Werk aufgenommen, Ron Sexsmith liefert abermals solide ab, Death Cab For Cutie verfeinern ihren Indie-Rock und Ringo Starr lässt uns ein wenig ratlos zurück- die Alben der Woche vom 27. März.
Album der Woche:
Sufjan Stevens „Carrie&Lowell“
Die Spieldosenmelodie klimpert lieblich wie aus alter Zeit, und die helle Stimme singt von Mauerseglern und Zedern, Amethysten und Blumen und Wind in den Haaren: „I forgive you, mother, I can hear you/ And I long to be near you/ But every road leads to an end.“ Das ist der erste Song, „Death With Dignity“, eine Exposition zu der Reise in die Erinnerung. „Carrie & Lowell“: Sufjan Stevens gedenkt seiner Eltern (der Mutter und des Stiefvaters), man sieht die beiden auf einem ausgeblichenen Foto auf dem Cover der Platte. Das zeigt schon, dass Stevens noch an Cover glaubt und an Alben, er glaubt an Geschichten und an Lyrik, und er glaubt an Musik.
Sufjan Stevens ist der Reiseschriftsteller unter den Songschreibern: Er mag in Brooklyn wohnen, aber er schrieb Alben über Michigan und Illinois und kündigte ironisch an, sich jedem US-Bundesstaat zu widmen; ein frühes Instrumentalalbum, „Enjoy Your Rabbit“, ist dem chinesischen Kalender („Year Of The Monkey“, „Year Of The Snake“ …) gewidmet. Das Konzept war immer ein großes Thema für Sufjan Stevens. Bei „Carrie & Lowell“ sind es Lieben und Verletzungen und Verluste und Anrufungen und Gebete. Die Songs haben einen hohen Ton, sind ätherisch und grazil, getragen von dichtem Gitarrenspiel und Piano, ohne die elektronischen Arabesken früherer Alben, aber mit Chorgesang und einer Art sonischem Schwellen als Überleitung zwischen den Songs. Wieder bewegte Stevens sich durch das Land – er nahm in Oklahoma, Wisconsin und New York auf, und vermerkt ist ein Hotelzimmer in Klamath Falls/Oregon, wo er nur ein iPhone für die Aufzeichnung benötigte.
Stevens’ Lieder verdanken sich den fein ziselierten Stücken von Paul Simon, sie gemahnen in ihrer ephemeren Leichtigkeit an die Musik von Elliott Smith. So zart und hermetisch hat noch selten jemand die privateste Vergangenheit illuminiert. Trauer und Depression sind den Stücken eingeschrieben: „The man who taught me to swim, he couldn’t quite say my first name/ Like a father he led community water on my head/ And he called me ,Subaru“, singt er in „Eugene“. Das Lied schließt mit der Einsicht in die Vergeblichkeit: „What’s left is only bittersweet/ For the rest of my life, admitting the best is behind me/ What’s the point of singing songs/ If they’ll never even hear you?“
Hier ist ein Dichter, könnte man sagen (hätte man es nicht schon bei den früheren Alben von Sufjan Stevens gesagt). Wie von einem altem Phonographen tönen diese Lieder herüber, als hätte Stevens wie Neil Young in der „Voice-O-Graph“-Zelle aufgenommen. Das hat er ja auch: Die Zelle ist das Cellphone. Und ihm hat Sufjan Stevens diese schmerzlich bedrängenden Erinnerungsbilder anvertraut (Arne Willander – Rolling Stone, 04/2015).
Weitere Veröffentlichungen:
Ron Sexsmith hat mit „Carousel One“ abermals bewiesen, dass er ein begnadeter, aber nach wie vor unterschätzter Singer/Songwriter ist, der eine großartige Platte nach der anderen veröffentlicht. Für sein neues Album wendet er sich dezent dem Blue-Eyed-Soul der 70er zu.
Death Cab For Cutie gehören inzwischen bereits zu den älteren Semestern, stehen aber seit Beginn ihrer Karriere für qualitative Konstanz. Mit ihrem achten Studioalbum „Kintsugi“ schaffen sie es abermals sich auf dem schmalen Grat zwischen Mainstream-Pop und selbstreflexivem Indie zu bewegen, ohne dass es gefällig würde.
Ringo Starr liefert genau das, was man erwartet: Anachronistische Gesten aus den fernen 60ern – die leider nicht mit den nötigen Song-Ideen verfeinert worden.
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