Expeditionen in die tropische Leidenschaft der Metropolen: Combustible Edison
The Millionaire, Chefideologe der Easy Listening-Pioniere, ist eine seltsame Erscheinung. Im Nadelstreifenanzug, schwarzer Brille, gepaart mit der gebeugten Müdigkeit und Blässe des Nachtmenschen, sitzt er vor dem schwarzen Kaffee. Frappierend frisch jedoch entpuppt er sich, wenn er über sein Lieblingsthema dozieren darf: Swingertum und Cocktailrevolution!
Auf meinen zweifelnden Blick hin ist The Millionaire, im früheren Leben noch als Michael Cudahy bekannt, umgehend bereit, mich in das Geheimnis seiner Lehre einzuweihen. Auch Combustible Edison entstiegen nicht als schaumgeborene Venus dem Meer, sondern übten sich vor einigen Jahren erfolglos im Bostoner College-Rock. Mit dem kleinen Unterschied, daß sie schon als Teenager glühende Verehrer von Easy Listening, Cocktailmusic und Glamour waren.
Man begann, die heimlichen Leidenschaften in das Unternehmen Combustible Edison umzusetzen, anfangs noch als „Combustible Edison Heliotropic Oriental Mambo und Foxtrot Orchestra“, einer 15-köpfigen Version des heutigen Quintetts.
Die Band als Vehikel des Lebensstils. Keine Frage, daß man hier nur auf berauschenden Swing-Cocktail-Sound und eine verquere Mischung aus Calypso, Jazz, südländischer Folklore und zuckrigen Süßigkeiten treffen kann. „Ich hatte immer ’ne Schwäche fürs Cocktail-Ambiente und den Happy-Sound eines Martin Dennys, Nino Rota, Les Baxter, für indische Soundtracks oder James Last“ Und natürlich die frühen Dean-Martinund Frank-Sinatra-Filme. The Millionaires Augen blitzen vor Freude.
Mit dem Debüt „I, Swinger“ überrumpelte Combustible Edison die Indie-Gitarren-konditionierte Hörerschaft. Begriffe wie Incredibly Strange Music und Easy Listening fanden Einzug in das Vokabular des eingefleischten Rockkritikers. Selbst Quentin Tarantino ließ sich seinen jüngsten Streifen „Four Rooms“ mit ihrem Lounge-Sound garnieren. Warum sich Leute, die vor kurzem noch Magenbeschwerden nur beim Anspielen jener Musik bekamen, inzwischen als Easy Listeners outen, weiß keiner zu erklären. Geniale Strategie des allmächtigen Drahtziehers?
The Millionaire, ganz Herr der Lage: Jeder möchte doch ein VIP sein. Unsere Musik ist wie ein Appetizer, wie eine Party, für die man sich besonders anzieht, in deren besonderer Atmosphäre man sich den Nebensächlichkeiten des Lebens widmet, etwa einem Drink – was übrigens auch eine Kunst für sich ist.“ „Schizophonic!“ heißt das Folgewerk der Edisonians, hierzulande erschienen auf dem Bungalow-Label aus Berlin. Chanteuse Miss Lily Banquette glänzt mit schwerer Süße, während Latino-Rhythmen, exotisches Tanzflair und schräge Stilmixturen eine betörende, rotschattierte Aura schaffen. The Millionaire liebt die Wortspielereien wie Schizophonic, Metropical oder Ultravivid Mood über alles – nie verlegen, neue Ausdrücke für sein unendliches Genre leichtlebiger Klänge zu finden. „Metropical verbindet Stimmungen und Rhythmen von Orten, an denen ich nie war, mit dem glitzernden Lifestyle der Jet-setter von heute, also die tropische Leidenschaft, die in den Metropolen lauert.“ Die Klänge der Marimbas entführen mich in den Schein der großen Welt, in magische Räume – und schon halte ich unversehens einen Martini in der Hand und beginne ernsthaft darüber zu grübeln, wo denn bloß mein kleines Schwarzes im Kleiderschrank vergraben sein könnte.