Eurovision Song Contest 2017: ROLLING STONE über Tops und Flops
Von aufgebrezelten Shirley-Bassey-Balladen bis zu einer neuen Art Adele. ROLLING-STONE-Redakteur Arne Willander untersucht die Qualität aller Teilnehmer- und Bewerberbeiträge für das Finale beim Eurovision Song Contest 2017.
„Die ganz kecke Stimmungsnummer mit Undercut-Schmierlapp und Kurzkleid-Blondine, Jodelei und Rap. Nicht auszuhalten, aber neben DJ Ötzi einzigartig.“
Hat Rumänien beim ESC also keine Chance? Und auf welchem (hinteren?) Platz landet eigentlich Deutschland? RS-Redakteur Arne Willander sichtete alle Teilnehmer und Bewerber für das ESC-Finale.
Schweden: Robin Bengtsson, „I Can’t Go On“
Der Waschzettel der ARD schlägt vor: „Anzug-Model, Versicherungsvertreter, James-Bond-Darsteller“. Bengtsson, mit Gel onduliert und gepflegt unrasiert, singt eine fistelige, vollautomatische, wie von selbst geschriebene R&B-Nummer aus dem Land der fisteligen, vollautomatischen, wie von selbst geschriebenen R&B-Nummern. Übersteht das Halbfinale.
Georgien: Tamara Gachechiladze, „Keep The Faith“
Conchita Wurst ist diesmal eine Frau: Die ehrfurchtgebietend raubtierhafte Georgerin knödelt eine aufgebrezelte Shirley-Bassey-Ballade samt Gospelchor. Guter Name. Irgendwas um Platz 15. Oder 5.
Australien: Isaiah, „Don’t Come Easy“
Verhallte, melodramatische Zweifelschnulze, gebarmt von einem 17-jährigen langhaarigen Augenbrauenwunder. Irgenwie biblisch. Weckt Mitleid: Finale.
Albanien: Lindita Halimi, „World“
Resche Schöne, die einen schwergängigen Allerweltspomp schmachtet, der tatsächlich „World“ heißt. Ihr Name klingt nach Weichkäse. Weiterkommen nicht gesichert.
Belgien: Blanche, „City Lights“
Gesichtsstarre, kühle Belgierin singt kühlen, schlanken Autotune-Schlager. Clever gemacht. Schon werden „viele Punkte“ vermutet. Man kann darauf wetten. Unter den ersten fünf.
Montenegro: Slavko Kaledzic, „Space“
Ein grotesker, halb nackter Ausdruckstänzer tut so, als würde er den sinnfreien Euro-Trash-Klopfer singen. Vielleicht Finale.
Finnland: Norma John, „Blackbird“
Ein Duo mit schwülstig-verzärtelter, nie in die Gänge kommender Wisperballade. Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen gesehen, aber das Stück würde das Finale unnötig dehnen.
Aserbaidschan: Dihaj, „Skeletons“
Mit dem merkwürdigen Asderbaidschan ist immer zu rechnen. Pathetischer, getragener Elektro-Gruft-Schlager, und die Sängerin ist zum Fürchten. Ganz sichere Nummer.
Portugal: Salvador Sobral, „Amar Pelos Dois“
„In Chet Bakers Fußstapfen“, heißt es bei der ARD. Chet Baker hatte aber keine Fußstapfen. Doch die seltsam nostalgische, elegisch-zarte Streicherballade, die Fado mit Bossa Nova verbindet, ist der beste Song im Wettbewerb. Wird nichts nützen.
Griechenland: Demi, „This Is Love“
Ein banaler, aber nicht unangenehmer Euro-Trash-Knaller allerererster Kajüte, Fanfaren inklusive, vergleichswiese unaffektiert gesungen. Reicht für einen mittleren Rang.