Eurosonic 2024: Newcomer-Woodstock zum Auftakt der Festivalsaison
280 Bands, über 40.000 Fans. Zaho de Sagazan räumt gleich doppelt bei „Music Moves Europe“ ab
In der Nacht zum Sonntag (21. Februar) ist in der nordholländischen Stadt Groningen die 38. Ausgabe des Newcomer-Festivals ESNS (Eurosonic Noorderslag) zu Ende gegangen. Das Euro-Musik-Segment „ES“ existiert seit 20 Jahren. Laut Veranstalter-Angaben die „wichtigste Börse für aufstrebende Musik in Europa“.
In Kneipen und Clubs wie „Vera“ oder „Maas“ oder „DeMachinefabrik“ haben an vier Tagen über 280 KünstlerInnen und Bands in einem straff organisierten Zeitplan aufgespielt. Wer wollte, konnte eine vielfältige Stadt-Schnitzeljagd von Punk bis Electro-Elfen-Klang unternehmen. Gekommen sind rund 40.000 Musikfans mit Tages- oder Festival-Tickets sowie 4.000 internationale Fachbesucher.
Bei soviel Action besteht die Kunst beim ESNS natürlich in der lässigen Auswahl. Gute Vorplanung mag alles sein. Doch auch spontane Umleitungen sollten im jeweiligen Mind-&-Music-Set jederzeit möglich sein. Schließlich veranstalten die Musi-Export-Büros von Polen über Estland bis Island/Faröer-Insel auch noch ihre „Receptions“, die für Schnittchen-Breaks und Business-Anbahnung genutzt werden.
Eine zentrale Veranstaltung beim ES/NS sind traditionell die „Music Moves Europe Awards“ (MME), die früher unter dem markigen Titel „European Boarder Breaker Awards“ gelaufen sind. Hier gibt es eine echte Entdeckung und ein 20-Jähriges im gediegenen Theaterpalast „Stadsschouwburg“ zu vermelden: Eine Doppel-Auszeichnungen heimst nämlich die 24 jährige Französin Zaho de Sagazan („La Symphonie Des Èclairs“) ein – den „MME Grand Jury Award“ und den öffentlich wählbaren Publikumspreis „MME Public Choice Award“.
Im königsblauen Sakko und in einem sportiven schwarzen Turnanzug, begleitet von zwei schwarz gewandeten Elektronik-Männern, einer davon mit Pfannen-Percussions wie in den 1980ern, schwingt sich Sagazan nach der Award-Zeremonie über die weite Bühne.
Bereits auf weitere außer-französische Festivals verbucht, klingt sie wie eine moderne Wiedergängerin von Anne Clark („Sleeper in Metropolis“). Dramaturgisch baut De Sagazan ihre Darbietung mit E-Balladen bis zu expressiven Dance-Moves auf. Allein für ihre Schwingungen hätte sie auch einen Kate-Bush-Gedächtnispreis verdient. So steht die Erfolgs-Französin, die auch mal Nenas „99 Luftballons“ gecovert hat, zurecht auf dem Double-Winner-Podest. Sie steht nun endgültig vor dem internationalen Durchbruch.
Übrigens: Die Mannheimer Band ClockClock (mit Tour im April 2024) ging bei den MME-Einzelpreisen leer aus. Die übrigen fünf Pokale landen beim Bulgarian Cartrader aus Bulgarien (produziert hat der schräge Kollege übrigens in Deutschland), bei Giift aus Dänemark, Yunè Pinku aus Irland, Freekind aus Slowenien sowie Ralphie Choo aus Spanien.
Faire Geste auf der von der EU üppig unterstützten Veranstaltung: Alle 15 Nominierten erhalten jeweils 10.000 Euro für ihre Band- oder Solisten-Kasse.
Ehrengast des heiteren Jubiläumsabends in Groningen ist die britische Musik- und Moderatoren-Legende Jools Holland, der die Gala in der Vergangenheit zehn Mal „gehostet“ hat.
Holland macht in Holland UK-typische Witzchen und findet warme Worte für die „MME“-Awards. Gerade die europäische Musiklandschaft sei „divers im besten Sinne“, verkündet er. Die Auszeichnung hätten immer wieder Karriere-Türen geöffnet. Von Dua Lipa bis Stromae, die in der Vergangenheit ihrerseits als Newcomer/innen auf dem Euro-Treppchen gestanden haben. Seine finale Botschaft, auch im Hinblick auf die derzeit eher schattige Großwetterlage: „Musik ist die stärkste Kraft in dieser Welt. Macht weiter – und nutzt sie!“
Das ESNS 2025 findet statt vom 15. bis 18. Januar 2025.