Ethik-Kommission

Um nützliche Bücher zu schreiben, müssen Männer erst mal weise werden – und ein kleines bisschen eitel.

War dieses Buch für Sie hilfreich? Das Kriterium hat ja Angela Merkel eingeführt, als es um Sarrazins sozialbiologisches Frühwerk ging – und ganz so dumm ist die Frage nicht, wenn man mal die Sachbuch-Bestenliste durchgeht: Hat wohl irgendein Türke mit „Deutschland schafft sich ab“ Vokabeln gelernt? Erfährt man bei Natascha Kampusch etwas, das man bei der Flucht aus dem Heizungskeller des Vermieters nützen könnte? Sind die vielen, vielen Safran-Foer-Bücher nicht ausschließlich von Vegetariern gekauft worden?

Demnach brauchen wir dringend: niveauvolle, praktische Lebenshilfe, ohne „Glück“ im Titel. Zum Beispiel „Wofür stehst Du? Die Werte unseres Lebens – eine Suche“ (KiWi, 18,95 Euro) das „SZ Magazin“-Kolumnist Axel Hacke und „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in grinsender Zweisamkeit geschrieben haben. Ethische Autoritäten ersten Ranges, die Peter Hahne allein schon in den Schatten stellen, weil sie viel mehr Haare haben. Und ehrlich sind sie: Hacke berichtet unter anderem, wie er in der Redaktion mal vorlog, sich mit Skisport auszukennen, um als Reporter zur WM fahren zu dürfen. Di Lorenzo gibt zu, dass er als Schüler gelegentlich mit seiner Intelligenz geprotzt habe. Am Schluss steht dann aber irgendwo bloß, dass die Welt nun mal ein ungerechter Ort sei und der Wunsch, das zu ändern, oft auch an „unreflektiertes Allmachtsdenken“ grenze. Ein Buch von und für Menschen, die sich selbst richtig gut finden.

Weniger schön gekleidet (die Zirkusdirektorhemden!), dafür moralisch souveräner ist Nelson Mandela, die männliche Freiheitsstatue aus Südafrika. „Bekenntnisse“ (Piper, 22,95 Euro) heißt sein Buch, eine Mischung aus alten Tagebüchern, Briefen und Manuskripten, also keineswegs nur mit dem kühlen Kopf des elder statesman verfasst. Großartig sind zum Beispiel die Ratschläge, wie man eine gute Guerilla-Armee gründet, gewagt und klug die Exkurse über Gewalt im Unterdrückungsstaat. „Man sah in mir einen Heiligen. Ich bin das nie gewesen“, schreibt er in einer editorischen Notiz – dennoch wird sich der Leser wundern, wie man 27 Jahre Gefängnis mit so viel Demut und Reflexion über soziale Gleichheit übersteht. Als Identifikationsfigur ist Mandela leider zu heilig.

Griffiger begrüßt uns Roberto Saviano, wenn er im Vorwort zu „Die Schönheit und die Hölle“ (Suhrkamp, 19,90 Euro) gleich massiv über seine Kritiker lästert. Saviano wird seit dem Hitbuch „Gomorrha“ von der Mafia gejagt, bewegt sich unter Polizeischutz durch die Welt der Humanisten. Sein Messiasgetue kann einen stören, andererseits paaren sich Scharfsinn und wütender Aplomb selten so eng wie in seinen Texten: „Schönheit“, eine Artikelsammlung, enthält unter anderem einen Bericht über die Reise nach Cannes, die Saviano mit jugendlichen Darstellern des „Gomorrha“-Films antritt, Begegnungen mit Lionel Messi und dem Boxer Tatanka, Geschichten über Mafia- und Erdbebenopfer. Schmucklos, umso hilfreicher: Das Vergebliche der Bemühungen knabbert keine Sekunde am Idealismus. „Wer schreibt, muss sterben“, dichtet Saviano im salbungsvollsten Moment. Wer liest, hat dann wenigstens mehr davon.

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