Esben And The Witch: Lichtgestalten im Nebel
Am 18. Januar erscheint "Wash The Sins Not Only The Face" von Esben And The Witch. Wir trafen Rachel Davies und Thomas Fisher zum Gespräch über dieses außergewöhnliche Album und ihren Weg aus unaufgeräumten Sound-Nischen.
Wash The Sins Not Only The Face“, der Titel des zweiten Werkes von Esben And The Witch-Albums, mutet transzendental an. Und das passt zur Musik: Sie versöhnt Dream-Pop mit Darkwave. Die Bezeichnung Witchhouse ist hierfür aber wohl am passendsten gewählt. „Death-Waltz“ beweist das am eindrucksvollsten, ist es auch mit der beste Song auf dem gesamten Album, welches hierzulande am 18. Januar erscheint.
Inspiriert wurde er textlich von dem Film „Black Swan“, in dem Natalie Portman die innere Zerrissenheit ebenso auf den Punkt brachte, wie es auch dieser Track tut. „Im Film gab es dieses schöne Spiel mit der Zwiespältigkeit“, sagt Rachel Davies im Interview mit uns. „Man bekommt beigebracht, sich von einem Zusammenbruch abzuhalten, bis man dem Zwang irgendwann nachgibt. Natalie Portman hat diese Spannung toll verkörpert. Wir wollten das in einer allgemeineren Weise auf den Song anwenden und den Fokus darauf legen, wie es ist, fast zusammenzubrechen, es aber doch nicht zu tun. Uns ging es vor allem um die innere Kraft, die es erfordert, sich zusammenzunehmen.“
Kraft ist ein gutes Stichwort. Wenn die Platte ein Hauptthema aufweist, dann dieses. „Wir wollten ein mächtiges Statement haben. Über die Kraft schreiben, die man entwickelt, wenn man zwischen zwei Entscheidungen schwankt oder in einer Notlage ist“, meint Thomas Fisher dazu. „Dieses In-Sich-Hinein-Horchen, das da stattfindet, hat eine Art von Macht. Man blickt oft aus zwei Blickwinkeln auf einen Sachverhalt.“
All das klingt recht düster und auch ein wenig unheimlich. So benannten sich Esben And The Witch auch nach einem dänischen Märchen, der Protagonist opfert sich am Ende für seine Brüder und stirbt den Galgentod.
Generell sind die Texte der Band oft von Geschichten und Märchen inspiriert. Oft wird auch die Landschaft mit eingebunden „Alles, was uns umgibt, wie die Natur, inspiriert uns. Wir hatten das Glück im letzten Jahr durch Amerika zu touren und uns drei Tage lang die Landschaft ansehen zu können. Der Mond war riesig, der Sternenhimmel gigantisch, die Wüste endlos“, führt Davies weiter aus. „Und wir lesen wirklich viel.“
All diese Aussagen verleiten nur zu leicht dazu, die Nähe zu okkultistischen Trends zu suchen oder in Davies und Fisher zwei Nebelgestalten zu erwarten, die einen schwarz gewandet empfangen. Als Neo-Goth kann man den Sound der Band vielleicht bewusst deswegen bezeichnen. Treffend ist diese Benennung vor allem bei ihrem Debüt „Violent Cries“ gewählt.Darin hauchten sie dem Goth der 80er neues Leben ein. Der Klang der Songs ist aber nicht unbedingt auch Lebensgefühl. Vielmehr sieht man sich zwei aufgeschlossenen, fröhlichen Gesprächspartnern gegenüber, die ihre Ideen, ihre Interpretation von Gesehenem, nur allzu gerne rege diskutieren und bisweilen in andere Welten abtauchen, dem Interesse und der Authentizität der Lyrics zuliebe.
Es ist nicht im Geringsten überraschend, wenn man erfährt, dass „Wash The Sins Not Only The Face“ in einer abgeschiedenen Hütte aufgenommen wurde. „Wir schlossen die Vorhänge. Dann haben wir uns Bilder von unserer Reise oder von Gemälden ins Gedächtnis gerufen, die wir mochten und dann die Songs geschrieben. Der Ort war wichtig, die Zeit toll. Alles hat da angefangen.“
Nur allzu gerne stöbert man sich durch mystische Welten, so geschehen auch beim Titel des Albums. „Wash The Sins Not Only The Face“ ist ein altes, griechisches Palindrom. Es bedeutet, dass es von vorne und von hinten gelesen, dasselbe ergibt. „Das hat man normalerweise über den Toren von Kirchen oder an Altären.“ Dieses Phänomen funktioniert aber nur, wenn man es auch in griechischen Lettern nieder schreibt ( ΝΙΨΟΝ ΑΝΟΜΗΜΑΤΑ ΜΗ ΜΟΝΑΝ ΟΨΙΝ). Das würde sich gut anhören, so Davies.
Es wird nun immer durchsichtiger, wie diverse Kritiker auf die Bezeichnung ihres Sounds als „Nightmare Pop“ gekommen sind. Dennoch trifft es das nicht. „Auf der Platte ist nichts Gruselig“, erzählt Rachel, sie lacht. Krumm scheint sie solche Bezeichnungen nicht nehmen, dennoch geht sie weiter auf das Thema ein: „Es gibt merkwürdige Momente [auf dem Album], ja. Aber auch Lichtreiche und Hoffnungsvolle. Es ist eher traumartig. In Träumen erlebt man ebenfalls skurrile Sachen.“
Hätte man damit die dunkleren Brüder im Geiste der xx gefunden? So liest man auch das nur allzu gerne. „Die Band ist toll, der Sound aber verhält sich gegenteilig zu unserem. Vielleicht wollen uns die Menschen vergleichen, weil dort auch zwei Männer und ein Mädchen spielen“. Stimmt schon, mit The xx wird heute jeder verglichen, der in Richtung Dream Pop wandert. Es ist das Pop-Pendant zu Folk in Zeiten von Mumford & Sons.
Bei all den Einflüssen, Geschichten und Bildern verliert manch einer dann doch den Sinn für die richtige Taktung der Songs. Schwierig vorstellbar, dass diese Platte nicht zergeht im Genre-Chaos, wenn man etwas Ungreifbares wie seelische Zerrissenheit thematisieren möchte. Dennoch ist die Platte erstaunlich klar – in ihrer Nebelhaftigkeit. Antagonistisch tritt sie nie auf. Hat sich „Violent Cries“, das Debüt der Briten, tatsächlich innerlich aufgewühlt angehört, hat sich das jetzt geändert.
Esben And The Witch zergehen nicht mehr in überbemühtem Ballance-Akten, die man auf zu vielen Hochzeiten tanzt. Alles wirkt flüssig, geschmeidig. „Wir wollten fokussierter sein, eine rundere Platte haben. Wir schrieben die Songs alle auf einmal und wollten eine kleinere akustische Palette haben, mit der wir konzeptionell arbeiten. Das erste Mal waren da viel mehr Einflüsse, was sehr klaustrophobisch wirkte“, sagt Fisher.
Man merkt den beiden an, dass Esben And The Witch bereits jetzt da sind, wo sie hin wollten. Dem wird man auch live Rechnung tragen. „Die Songs sollen in den Vordergrund rücken und mit einer Lightshow unterstrichen werden. Wir wollen den Fokus auf die Songs setzen, aber auch selbst als Individuen in den Vordergrund rücken. Wir identifizieren uns damit sehr und wollen nicht mehr diese düstern Gestalten auf der Bühne sein.“