Es ist nicht einsam hier oben
Tom Liwa beweist auf seinem opulenten neuen Album, dass man auch als glücklicher Mensch große Songs schreiben kann
Tom Liwa sitzt am Steuer seines Kombis. Aus den Lautsprechern tönt leicht esoterisch anmutende Instrumentalmusik, über die er ab und zu einige Textzeilen singt. Bis sich seine Töchter Fine und Mati vom Rücksitz aus einmischen und ein – selbstausgedachtes? – Liedchen quäken. „Nicht schlecht“, lacht Liwa, „vielleicht solltet ihr mir helfen.“
Das war an einem sonnigen Samstagmorgen im Juli 2003 mein erster Eindruck vom neuen Liwa-Album, dem Nachfolger seiner „Two Originals“ mit dem spröden „Ich reite ein Pferd…“ und dem Punk „Nostalgia No Existe“. Das klang ziemlich ungewöhnlich: ein Posaunenchor; Fretless-Bass, Querflöten, polierte Akustikgitarren.
„Also, der erste grundsätzliche Gedanke zur Platte auf musikalischer Ebene war, dass ich ’ne angenehm hörbare Pop-Platte machen wollte, nachdem ich in den letzten Jahren einfach sehr viel experimentiert hab“, erklärt Liwa ein Jahr später, in einem Augsburger Biergarten sitzend. Die Platte ist mittlerweile fertig und heißt „Dudajim“, das ist das hebräische Wort für Alraune und bedeutet im übertragenen Sinne so viel wie doppelte Liebe – irdische und himmlische.
Doch keine Sorge, Liwa hat sein Talent Befindlichkeiten klischeefrei auf den Punkt zu bringen, wie kein Zweiter das in der deutschen Sprache zu tun vermag, nicht vernachlässigt, um auf ökumenischer Gottesdienst zu machen. Eine spirituelle Ebene hatten Liwa-Platten ja immer, doch sie ließen sich auch ganz anders lesen. „Das ist mir aber auch eigentlich ganz lieb so“, meint Tom, „auch bei den Songs hier auf der Platte ist es ja so, dass es verschiedene Lesarten gibt. Denn ich schreib einen Song nicht nur für einen expliziten Moment, sondern abgesehen davon, dass ich ihn ja bis zu tausendmal selber noch auf irgendwelchen Bühnen spielen muss und ihn mir jedes Mal wieder neu füllen kann – ist es für mich eigentlich auch schon in dem Moment, in dem ich ihn schreibe, eher eine Leistung, wenn er so transzendent ist, dass ich ihn selbst auf verschiedene Weisen verstehen und lesen kann.“ Trotzdem wird man auf dem neuen Album auch textlich einen anderen Liwa finden: „Ich habe mir vorgenommen, was ich mir vor langer Zeit immer schon mal wieder vorgenommen hab, wofür ich mich aber erst jetzt gereift genug gefühlt hab: Texte zu schreiben, die sich von Melancholie und Trauerarbeit lösen, die positiv sind, aber trotzdem tief. Also keine Partytexte, sondern Texte, die teilweise das Leben feiern oder meine Sicht des Lebens feiern, aber das möglicherweise eben durchaus auf’ne melancholische Art, weil – ich mein, das weißt du, und das weiß ich: Man muss nicht scheiße sein, um glücklich zu sein.“ Auf dem Weg von Flowerpornoes-Songs wie „Eng in meinem Leben“ zu dieser gelassenen Weltsicht dürften Mati und Fine ihm ein wenig geholfen haben.