Erwarte das Unerwartete
Dafür, dass sie sich an der Musikhochschule kennengelernt haben, sind die Frauen von Boy schwer zu berechnen. Zum Glück! Ihr Debüt enthält den schönsten Dream-Pop der Republik.
Bei diesem Bandnamen hört man die Gitarren im Geiste schon schrubben, sieht schon die üblichen Rockstarposen von den üblich-stylishen Jüngelchen durchdekliniert. Dass sich hinter Boy ein Frauen-Duo und hinter ihrer Musik der harmonischste Songwriter-Pop des deutschsprachigen Raums verbirgt, verwirrt zunächst.
Provokation oder Feminismusdebatte hatten die beiden Protagonistinnen aber gar nicht im Sinn, vielmehr lieben Sonja Glass und Valeska Steiner das Unerwartete. „Auf der Suche nach einem Namen, der uns am besten beschreibt und besonders weiblich klingt, sind wir auf nichts Gescheites gestoßen, also haben wir uns gedacht: Warum nicht einfach das Gegenteil?“, erklärt Glass. Und Steiner fügt mit einem Schmunzeln hinzu: „Der Name soll auch keine Kritik an Boybands sein, falls das irgendwer denkt.“
„This is the beginning of anything you want“, lautet einer der ersten Sätze ihres Debütalbums „Mutual Friends“. Aufbruch und Neubeginn sind klar die zentralen Themen, was sich aus der Geschichte von Boy erklärt, die 2005 auf eine Weise begann, die anderen deutschen Popgruppen nicht unbekannt sein dürfte: Einmal pro Jahr treten im Kontaktstudiengang Popularmusik an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, kurz Popkurs Hamburg, über 50 Musiker an, um in Workshops kreativ zu werden, aus denen nicht selten erfolgreiche Bands hervorgehen. Wir sind Helden und die Fotos haben sich so kennengelernt.
Im Fall von Boy war die Begegnung aber eher eine glückliche Fügung, meint Glass: „Ich habe mich in die Gesangsgruppe reingeschlichen, in der ich Valeska zum ersten Mal gehört habe. Normalerweise ist das Zuhören nicht gestattet, weil während der Proben alle ihre Ruhe brauchen.“ Obwohl sich beide auf Anhieb verstanden, dauerte es danach noch zwei Jahre, bis Valeska ihre Heimat von Zürich nach Hamburg verlagerte und somit das Experiment Boy erst richtig forciert wurde. „Ursprünglich wollten wir ja eine ganze Band gründen“, erinnert sich Valeska, „doch dann haben wir ziemlich schnell begriffen, dass es zu zweit am besten klappt.“
In den beiden Folgejahren schrieben sie die zwölf wunderbaren Indie-Pop-Songs, die dann im ehemaligen Kinderzimmer von Produzent Philipp Steinke in dessen Berliner Elternhaus eingespielt wurden. „Manchmal haben Philipps Eltern sogar für uns gekocht“, erzählt Glass begeistert von der familiären Atmosphäre während der Aufnahmen.
Zu den vielen Freunden, die am Debüt mitgewirkt haben, gehört unter anderem Phoenix-Live-Drummer Thomas Hedlund. Steiner kannte ihn von einigen Konzerten der französischen Pop-Feingeister: „Ich war mir nicht sicher, ob er nicht zu beschäftigt wäre“, aber schließlich nahm sich Hedlund die Zeit für vier Stücke. Und dann kam noch Herbert Grönemeyer ins Spiel, der das Duo für sein Grönland-Label unter Vertrag nahm.
Irgendwie verwundert das alles nicht, bei einem Projekt mit dem Titel „Mutual Friends“. Starke, freundschaftliche Bande sind hier generell eine Art Arbeitsgrundlage. „Unser Ziel war es, dass am Ende alle Beteiligten glücklich mit dem Resultat sind“, sagt Sonja Glass. Gewiss nicht nur die.