Ernsthaftes Spinner-Duo
Spleenige Überraschungen war man von Ween gewöhnt. Die neueste: ein (fast) eingängiges Album
Die Bezeichnung „sympathische Spinner“ passte in der Vergangenheit zu Ween in den meisten Fällen wie die Faust aufs Auge. Abwertend allerdings durfte man diesen Begriff nie verwenden. Zu groß war und ist der Respekt für das songschreiberische Können von Aaron Freeman (Gene Ween) und Mickey Melchiondo (Dean Ween) aus Pennsylvania, die sich bereits vor 16 Jahren im Schreibmaschinenkurs an der High School kennenlernten und der Legende nach von der dämonischen Gottheit namens Boognish dazu vergattert wurden, Ween zu gründen.
„White Pepper“ ist das siebte Ween-Album und verblüfft neben der obligatorischen Handvoll grandioser Pop-Songs mit weniger Spinnereien als auf ihren vorherigen Veröffentlichungen. „Wir haben viel durchgemacht in den letzten zwei Jahren, und um ganz ehrlich zu sein, sind wir auch einfach älter und ruhiger geworden, und das Songwriting spiegelt das in gewisser Weise wider. Es steckte aber nicht wirklich eine Absicht dahinter“, versucht Mickey zu erklären, warum „White Pepper“ sich dem Hörer geradezu empfänglich offenbart.
Dem Weirdo-Image entgegenzutreten, auch darin könnte eine Intention für das gemäßigte, doch nicht minder genialische neue Material liegen. Aber denken Ween beim Schreiben neuer Songs überhaupt über so etwas nach? „Nein“, meint Aaron „wir schreiben einfach, was wir schreiben wollen, und packen es auf das Album. Vielleicht ist das ja der Grund, warum wir noch nie eine durchgängige Pop-Platte gemacht haben.“ Und Mickey alias Dean Ween ergänzt, dass ihnen sowieso niemand mehr über den Weg traut: „Wenn wir eine Platte mit lauter herzzereißenden Love-Songs machen würden, hieße es sicher wieder, dass wir uns nur darüber lustig machen wollten. Wir sind aber eine ernsthafte Band.“
Auch darüber, wie das letzte Studio-Album „The Mollusk“ aufgenommen wurde, zeigten sich Ween nicht ganz zufrieden. Etwas falsch interpretiert worden sei es, und manche Journalisten hätten sich wohl nicht die Mühe gemacht, sich wirklich damit zu beschäftigen. Dabei enthielte es einige der besten Songs, die Ween bis dato gelungen seien.
Doch sich zu beschweren („Wir beklagen uns nicht ernsthaft darüber, was die Leute so über uns denken.“), ist Mickeys und Aarons Ding nun wirklich nicht Lieber fabulieren die beiden, die sich gegenseitigjim nennen, über die Einflüsse auf „White Pepper“: Randy Newman (man achte auf das Piano und die Lyrics der ersten Single „Even If You Don’t“), Steely Dan, Motörhead und wie immer Prince („das größte lebende Genie“) und die Beatles. Viel mehr George Harrison als auf „Stay Forever“ ist ohnehin nur schwer möglich. War das stark Pink Floyd-beeinflusste „Mallusk“-Opus ihr „Dark Side Of The Moon“ (die Cover beider Alben sind von Storm Thorgerson), so sind sie nun womöglich bei ihrem „White Album“ angelangt, falls man dieses Ziel gar mit „Chocolate And Cheese“ (1994) nicht schon erreicht hatte.
Egal, Ween bleiben trotz aller ungeklärten Ambivalenzen etwas ganz Besonderes und können jederzeit wieder was ganz anderes machen“. Zudem spielt man weiterhin bis zu vier Stunden live („Viele Fans wollen von all unseren Platten etwas hören.“). Drogen seien übrigens nicht mehr ein so großer Einfluß wie früher, auch wenn der Titel „White Pepper“ anderes vermuten lässt. „Nein, der klingt einfach wie der einer wirklich guten Platte“, so Aaron.
Ohnehin bleiben noch genügend Anregungen: der Buddhismus, die Karibik, Emerson, Lake & Palmer. Man darf gespannt sein, was Ween als nächstes mit uns vorhaben.