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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Wisst ihr noch? Facebook für Männer über 40

Weshalb Facebook für Männer über 40 ein Kondolenzbuch der Popmusik ist und Diskussionen auf Partys und in Kneipen öder geworden sind.

Folge 157

Vorsicht, diesen Text habe ich während eines Achtsamkeitsseminars in palmölfreies Holz geschnitzt. Gleichzeitig ist er total cutting edge. Er thematisiert Facebook.
Im Grunde ist Facebook ein Kondolenzbuch, das Männern über 40 dazu dient, sich von ihren liebsten Rockstars zu verabschieden. Ich habe das auch schon getan. Der Tod meines Kindheitshelden Malcolm Young etwa hat mich in meiner 48-jährigen Durcheinandergescheppertheit derart mitgenommen, dass ich es für sinnvoll hielt, dieser Mitgenommenheit sogleich digital Ausdruck zu verleihen. Kam ganz gut an. Vermutlich weil ich wirklich traurig war.

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Wenn gerade kein Rockstar gestorben ist, werden Videos noch lebender (oder schon vor sehr langer Zeit gestorbener) Popmusiker gepostet. Dass die Musik älteren Datums ist, liegt daran, dass wir bei Facebook alle schon etwas älter sind. Meist schreibt man Sachen wie: „Für mich immer noch die beste Shoegaze-Band überhaupt.“ Dann kommt irgendetwas von Ride oder Slowdive oder My Bloody Valentine. Andere schreiben dann: „So gut. Sah sie 1991 in Ludwigshafen. Oliver Marberg, Carsten Rochut, Sabine Lendelsberger – wisst Ihr noch?“ Daraufhin setzt dann ein großes Weißt-du-Noch ein, das bei anderen auch ein paar große Weißt-du-Nochs innerhalb der Filterblase auslöst. Überhaupt Filterblase: Das war früher etwas, bei dem nur ein guter Urologe weiterhelfen konnte.

Manchmal wird auch neue Popmusik herumgeschickt

„Gestern entdeckt. The Dingsbums“, schreibt dann jemand. „So könnten Aztec Camera geklungen haben, wenn sie nie auf Mark Knopfler getroffen wären und nach der ersten Platte aufgehört hätten.“ Sofort schreibt jemand dann etwas wie: „Na ja, aber es ist schon sehr nachgemacht.“ Ein weiterer äußert: „Hab die letztens im Vorprogramm von The Charlatans gesehen. Haben nachher noch kurz geredet. Total nette Typen.“ Noch jemand meldet sich: „Jööö. Mark Knopfler!“

Zwischen den Videos werden Kolumnen, Blogs und Pop-Tagebücher durch die Gegend geschickt, in denen wir älteren Männer uns über Popmusik und deren Kollateralschäden auslassen. Und dann gibt es noch lauter erfolglose bis mittel­erfolgreiche Musiker, die ihre neuen Produkte, Videos und Tourneen bewerben. Um es klar zu sagen: Die meisten kleinen Indie-Acts, die ich kenne, könnten ohne Face­book nicht existieren. Niemand wüsste von den Tourneen durch Dorfkaschemmen, Eintritt-frei-Kulturcafés und Weinbars, in denen „auf Hut“ gespielt wird.

Diskussionen auf Partys werden öder

Seit so viel an popkulturellem Drang, Denken und Dissen durch dieses Ding namens Face­book gequetscht wird, sind die Diskussionen an Tresen oder auf Partys zu diesem Thema deutlich öder geworden. Die Leute haben sich tagsüber digital so leer gelabert, dass abends nur noch über Krankheiten geredet werden kann. Und wenn doch mal Musik zum Thema gemacht wird, macht sich rasch Ennui breit. Zumal immer wieder auf Facebook rückgekoppelt wird. Leider aber sind Sätze, die mit „Gestern schrieb einer, die neue Kendrick-Lamar-Platte …“ anfangen, in etwa so mitreißend wie weitererzählte Urlaubsanekdoten wildfremder Menschen. Und kommen Sie mir jetzt nicht damit, dass man auf Facebook ganz toll mit vier in fünf verschiedenen Städten wohnenden Menschen über Politik diskutieren kann – um Gottes willen!

Nicht missverstehen: Vieles war früher schlechter, manches auch besser, einiges genauso doof, nur mit blasseren Farben. Es gibt immer noch nichts Schöneres als Musik. Und wir müssen sie teilen, weil Musik, vor allem Musik populärer Natur, den Gemeinschaftseffekt eingebaut hat. Bloß liest sich diese digitale Scheingemeinschaft oft wie eine Podiumsdiskus­sion mit Sprechblasen. Ich bleibe für heute dabei: Facebook ist der Friedhof der Popmusik.

Bitte teilen Sie dem Autor mit, wie Sie die neue Platte von Matt Bianco finden – und diese junge Band, die an die Weather Prophets erinnert

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