Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Quinn, der Außerirdische
Muss man kennen: Dylans "The Mighty Quinn (Quinn The Eskimo)". Was jedoch die Berichterstattung zum Ufo angeht, fehlte mir hierzulande schlicht die nötige Kompetenz und Sachkenntnis.
Folge 31
Eine komische Woche. Erst laufen zwei Tatorte an nur einem Sonntag, dann fällt die Kanzlerin beim Langlauf hin, und schließlich wird bei Bremen auch noch ein Ufo gesichtet. Im ersten Tatort ging es unter anderem um das erfrischend beknackte und ein wenig redundant betitelte Lied „The Mighty Quinn (Quinn, The Eskimo)“, das Bob Dylan erstmals im Jahr 1967 in äußerst zubetoniertem Zustand mit The Band einspielte. Im zweiten Tatort lernte man dafür einiges über Kabelbinder. Wer die schöne Fassung von „The Mighty Quinn (Quinn The Eskimo)“, die man auf dem erratischen Album „Self Portrait“ nachhören kann, nicht kennt: Sie gehört unbedingt in die Liste der „10 Songs, die deutlich belegen, dass es manchmal nicht verkehrt ist, einen Song vor einem wichtigen Live-Termin noch zwei, drei Mal zu proben“. Man verstehe mich nicht miss: Ich mag die Aufnahme sehr. Sie spendet mehr Trost als alles von Adel Tawil und zehn Schachteln Weinbrandbohnen zusammen. Wer braucht da noch ein Ufo? Oder Bremen??
Der Text des Liedes ist, dies sei zugegeben, nicht eben dazu angetan, verwahrlosten Seelen zur Sinnstiftung zu gereichen. In der „Self Portrait“-Fassung ist das allerdings egal, da versteht man ohnehin kaum was, und auch der Meister selbst scheint sich nicht ganz darüber im Klaren zu sein, was er da eigentlich singen will. Toll aber, dass er das immerhin mit besonders eindringlicher Stimme tut. Sie merken schon: Man sollte das mal gehört haben! Sehr schön ist auch, was Wikipedia zum Text des Liedes beizutragen hat: „Im Hinblick auf den teilweise verwirrenden Textinhalt ist das Lied offen für Interpretationen. Oberflächlich handelt es von der Ankunft von Mighty Quinn, einem Eskimo. Seine Ankunft sorgt bei seinen Freunden für Aufruhr, und alles artet in ein Chaos aus.“ So ist das, wenn ich irgendwo zu Besuch komme, auch oft.
Wie viele eher ulkige Dylan-Stücke wurde auch „Mighty Quinn“ sehr oft gecovert. Doch nicht nur Manfred Mann, Phish, die Beatles, Julie London und Quiet Riot verrenkten sich bei dem Versuch, das Lied würdevoll darzubieten; auch die deutsche Band Die Lollies aus Reutlingen (Eigenwerbung: „Deutschlands Partyband Nummer 1“) hat eine Fassung auf dem Kehrblech, pardon: Kerbholz. Was mir aber wichtiger erscheint, ist, dass Die Lollies im Jahr 2009 mit ihrem Lied „Arsch im Sand“ auf Platz 72 der deutschen Charts landeten. Verdient, wie ich meine. Für Die Lollies und Die Charts. Darüber sollte mal jemand einen Tatort drehen.
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Was das Ufo angeht, fehlte mir hierzulande schlicht die nötige Kompetenz und Sachkenntnis. Es scheint hier schlicht keine charismatische Fachkraft in derlei Angelegenheiten zu geben. Das sieht in Großbritannien freilich ganz anders aus. Dort nämlich wirkt seit einiger Zeit der Happy-Mondays-Sänger Shaun Ryder als Moderator einer UFO-Sendung. Womöglich aufkeimende Zweifel an seiner Fachkenntnis weiß Ryder souverän vom Tisch zu fegen. Der Zeitschrift „Q“ berichtete der Sänger neulich von einer UFO-Sichtung im Alter von 15 Jahren: „Walking to the bus stop at 7am, I saw this ball of light in the sky. It whizzed about, hovered, then zoomed off at about 10,000 miles per hour. It defied the law of physics in 1978 and it still does.“
Ryder kam zu dem Job wie Angela Merkel zum Langlauf: Man habe ihn, nachdem er für die britische Version von „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ im Dschungel gesessen habe, angesprochen, ob er nicht irgendeine TV-Show moderieren wolle. Doch die ihm offerierten Formate seien allesamt Murks gewesen. Auf die Frage seines Managers, welche Sorte TV-Show er sich denn vorstelle, habe er dann geantwortet: „I’d always had an interest in UFOs (…) let’s do a show about that.“ Und auch auf die naheliegende Frage, ob der prominente Ex-User Ryder möglicherweise nicht mehr alle Latten am Zaun habe, hat der Mann eine überzeugende Antwort: „People who insist there’s only us in the universe, they’re the knobheads.“
Natürlich muss man bedenken, dass … nanu … Augenblick bitte, das Pop-Tagebuch-Telefon klingelt. Ein engagierter Leser-Anruf wahrscheinlich. Ja, hallo, was ist denn los?
„Hallo, ich wollte nur sagen, dass es in Deutschland keinesfalls an UFO-Kompetenz mangelt, am allerwenigsten an UFO-Kompetenz mit Pop-Hintergrund, was ja wohl die einzige Rechtfertigung für diesen blöden Eintrag in Ihrem blöden Pop-Tagebuch sein dürfte.“
Aha. Ja … und??
„Na, Nina Hagen! Die hat schon von Ufos geredet, als Shaun Ryder noch dachte, der Typ mit den zwei Rumbarasseln neben ihm wäre Musiker.“
Mist, stimmt natürlich: Nina Hagen. Ständig vergisst man Nina Hagen. Ich jedenfalls vergesse dauernd Nina Hagen.
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Neulich im Plattenladen.
Ein älterer Herr betritt das Geschäft und verlangt nach einer Platte mit „african drums“. Kann er haben: Der Verkäufer greift zielsicher in ein Fach und spielt einige alte Vinyls an. Es trommelt und rhythmisiert, dass es nur so eine Art hat. Der Kunde lehnt an der Theke (die tatsächlich eine ist, denn der freundliche Plattenmann schenkt Kaffee aus), nickt bald hier bald da mit, wechselt gelegentlich das Standbein, kneift dann und wann die Augen zusammen und spricht schließlich, etwa bei Platte Nummer sieben die magischen Worte: „Das ist gut. Da wird was gemacht!“
Ich gestehe: Ich bin begeistert von dieser unkonventionellen Form der Begeisterungsverlautbarung: „Da wird was gemacht!“ – super! In Zeiten, da der Musikjournalismus orientierungslos durch den Phrasendschungel torkelt, sind es Formulierungen wie diese, die den Blick wieder auf das Wesentliche lenken. „Da wird was gemacht!“ – Yeah! Hier wird jetzt auch etwas gemacht, nämlich Schluss. Nächstes Mal gibt es dann an dieser Stelle vermutlich Wissenswertes über die Entstehungsgeschichte des Fool’s-Garden-Hits „Lemon Tree“, Basteltipps von Lorde und alles über Nina Hagen.