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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Pop und Physio

Eine lockernde Behandlung im Schwarzwald mit Songs von Dire Straits, Kiss, Phil Collins und Morrissey aus dem lokalen Dudelradio

Folge 197

Neulich musste ich zur ­Physiotherapie, der Nacken war im Eimer.

Zwei Dinge durfte ich ­feststellen. Erstens: Die Physiotherapie gehört zu den größten Segnungen der Menschheit. Und zweitens: Das Ausüben dieses Berufs scheint einigermaßen langweilig zu sein. Zumindest der Dame, die mich so kundig zu behandeln wusste, war offenkundig ein wenig fad, denn während sie da an mir herumhantierte, hörte sie relativ laut Radio. Was ihr zur Zerstreuung gereichte, schien mir eher Qual, denn der Sender ihrer Wahl war die mir bis dato unbekannte Station Radio Schwarzwald – eine dieser Das-Beste-von-irgendwann-mit-heiter-dargereichtem-lokalen-Content-und-viel-Baumarkt­werbung-dazwischen-Stationen. Aber auch wenn die akustische Kulisse dem Entspannungszustand nicht eben zuträglich schien, sah ich von lautstarkem Protest ab. Ich war hier schließlich zu Gast. Ich lag also da, ließ die Dame kundig wirken – und lauschte.

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Es lief zunächst ein Lied von den Dire Straits, „Your Latest Trick“. Ich hatte ganz vergessen, dass es das mal gab. Eingeleitet wird das Stück von einem Saxofon, das klingt, als hätte es beim Wetttröten gegen das von „Careless Whisper“ verloren. Der Song, so ergaben meine Nachforschungen, stammt vom extrem erfolgreichen Album „Brothers In Arms“, das jedoch für viele Menschen auch ein Katalysator gewesen sein dürfte, dem Classic Rock endgültig den Rücken zu kehren. Zugleich war das Album eines der ersten, die gezielt als CD konzipiert wurden – mit der Folge, dass viele der Songs in der CD-Version noch bis zu einer Minute weiterdudeln. Irgendwann bastele ich eine Klangskulptur, innerhalb derer ich diese Zusatzminuten zu einem nie endenden Dudel-Loop aneinanderklatsche. Ich werde dann öffentliche Plätze damit beschallen und, wenn alles ­lallend darniederliegt, die Weltherrschaft an mich reißen.

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Als Nächstes feuerte Radio Schwarzwald „I Was Made For Lovin’ You“ von Kiss ab, ein Lied, das bei mir immer schlagartig ein inneres 1979 ausbrechen lässt. Drei Fakten nur: Früher war vieles schlimmer. Gene Simmons spielt bei diesem Song nicht Bass (vermutlich war er nicht disco genug). Das Drumbreak vor dem Solo gehört zu den blödesten der Popgeschichte und trägt eine Affenkrone, will es aber auch. Auf den Song folgte ein Wortbeitrag, in dem die Moderatorin darauf hinwies, dass es den Schwarzwälder Bollenhut nicht als Emoji gebe, man aber eine Petition oder Ähnliches dafür unterschreiben könne. „Nicht anspannen, ganz locker bleiben!“, mahnte die Physiotherapeutin.

Dann lief „Loco In Acapulco“ von den Four Tops, was ich in diesem Moment durchaus begrüßte. „So ist’s gut!“, lobte die Fachkraft für muskuläre Angelegenheiten. War nicht Phil Collins in die Produktion dieses Stücks verstrickt? War er: Gemeinsam mit Lamont Dozier schrieb und produzierte er das Stück für den Film „Buster“, in dem er die Titelrolle spielte. Ganze drei Collins-Hitsingles warf der Film ab; „Loco In Acapulco“ war die einzige, die in den USA nicht Platz 1 erreichte. Das Stück ging über in Freddie Mercurys „I Was Born To Love You“ von 1985, das im Wesentlichen die nicht eben überkomplexe Kiss-Botschaft variiert und später noch einmal von den verbliebenen Queen-Mitgliedern überarbeitet wurde. Immerhin besaß Radio Schwarzwald den Anstand, die Originalversion zu spielen.

Es folgte nun Schwarzwald-Content alleroberster Kajüte: Die Moderatorin wusste zu berichten, dass Fools-Garden-Sänger Peter Freudenthaler irgendeinen zweihundertnochwas Kilometer langen Wanderweg gelaufen sei und dies als ganz schön anstrengend empfunden habe. Gerade als wieder massive Verspannung einzusetzen drohte, passierte etwas Großartiges. Ein Hörerinnenwunsch wurde gespielt: „Everyday Is Like Sunday“ von Morrissey. Zwar wird im Lied eine englische Küstenstadt besungen, aber es war schwer, das Stück des zuletzt arg verwirrten Sängers nicht als verzweifelten Hilferuf aus einem Schwarzwald-Kaff zu begreifen: „How I dearly wish I was not here“, sang Morrissey, und natürlich: „Come, Armageddon!“ Durch die Kopfausbuchtung der Behandlungsliege lächelte mich der Fußboden an.

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