Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Der Samt-Frosch mit der Flöte

Ein paar Playlist-Vorschläge für die warme Jahreszeit: von Flokati-Jazz-Pop bis zu Post-Rock.

Folge 269

Sie haben es eventuell in der Presse mitverfolgt: Es ist Sommer. Und wie immer, wenn man verstärkt sonnenbeschienene Auen durchwandert, zeigen sich mal wieder die Vorzüge der portablen Musik.

„Das Leben ist immer so gut wie die aktuelle Playlist“, hat einmal ein großer Denker gesagt, und ich möchte Ihnen heute jene Liedzusammenstellung präsentieren, die momentan mit der Eintracht süßer Töne mein klopfend’ Herz stillt. Eröffnet wird sie von Mel Tormés „Right Now“ aus dem Jahr 1966, einem herrlichen Stück Flokati-Jazz-Pop, das durch Freizügigkeit im Umgang mit der Orgel besticht. Und natürlich durch Tormés schmeichelnden Bariton, man nannte den Mann nicht umsonst „The Velvet Fog“, was ja auch deutlich schmeichelhafter ist als „The Velvet Frog“. Tormé wirkte gelegentlich auch als Schauspieler, in „Seinfeld“ war er ebenso dabei wie in einem Film mit dem deutschen Titel „Blonde Locken – scharfe Krallen“, aber den sollte man eher im Winter gucken.

Es folgt Jorge Ben mit „Take It Easy My Brother Charles“. Der ohnehin schon federnde Schritt wird spätestens hier zum Tänzeln. Jorge Ben, Tausendsassa der brasilianischen Musik, lebt seit 2018 in einem Hotel namens „Copacabana Palace“, dem ersten Haus am Platze in Rio de Janeiro. Wir alle sollten dort wohnen.

Noch einmal im Reggae-Style

Danach leistet sich die Playlist einen harschen Stimmungswechsel. Kann man machen, denken Sie vielleicht. Ich finde: Muss man machen. Über die kanadische Künstlerin Marie Davidson, die hinter dem Track „Excès de vitesse“ steckt, weiß ich gar nicht viel. Ich bin allerdings einigermaßen kritikloser Fan von Coldwave-artigen Electro-Stücken, zu denen Menschen französische Sprechtexte vortragen. Kann es gar nicht genug von geben, es ist fast wie mit Claude-Chabrol-Filmen.

Es folgen The Troggs – Sie wissen schon: die mit „Wild Thing“. Allerdings habe ich „Cousin Jane“ auf meine Playlist gepackt, für das sich die Band in psychedelisches Tuch gewickelt und ein paar Räucherstäbchen angezündet hat. Ein tolles Stück, sehr sanft, sehr barock. The Troggs sind meines Wissens eine der wenigen Bands, die ihren größten Hit (Sie wissen schon: „Wild Thing“) neun Jahre nach Erscheinen noch mal als Reggae-Version herausgebracht haben. Ein mutiger Schritt.

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Hier nun übernimmt der Jazz-Pianist Ahmad Jamal mit „Arabesque“, einem rhythmisch ergiebigen Stück Achtziger-Jazz. Der 2023 verstorbene Jamal wurde von Miles Davis als „größte Inspiration“ bezeichnet, das können nicht viele von sich sagen. Mel Tormé zum Beispiel, aber der ist ja schon der „Velvet Fog“.

Wieder ein Bruch, diesmal herbeigeführt durch Dean Warehams „Cashing In“. Wareham führte einst eine meiner großen Lieblingsbands an, von der ich aber regelmäßig vergesse, dass sie zu meinen großen Lieblingsbands zählen: Luna. „I’m not selling out, I’m cashing in“, singt er hier mit kippeliger Stimme. In Noah Baumbachs Film „While We’re Young“ spielt er einen Schamanen, der im Rahmen seiner berühmten Halluzinogen-Therapie zu Entspannungszwecken den „Blade Runner“-Soundtrack von Vangelis laufen lässt.


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Dies führt mich zu … „I Hear You Now“ von Jon And Vangelis, das als Nächstes folgt. Ich bin zwar nicht davon abzubringen, dass Jon Andersons Stimme (ähnlich wie die Andenflöte) zu den, nun ja, schwierigsten Instrumenten der Musikgeschichte zählt, aber hier funktioniert sie sehr gut. Vier Alben nahmen die beiden auf. Als Anderson 2011 wegen einer fünften Zusammenkunft bei Vangelis anklopfte, machte dieser nicht mehr die Türe auf.

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Wieder ein Bruch: Mit „Different Now“ von Chastity Belt übernimmt schrammeliger Garagen-Post-Rock. Die Band stammt aus einem Ort namens Walla Walla in Washington, was allein schon ihre Anwesenheit rechtfertigt. Es ist fürchterlich: Die Playlist geht noch ewig weiter, aber die Kolumne ist mal wieder zu kurz. Ich habe mich verquasselt. Meine Botschaft: Lassen auch Sie sich von einer wohlkomponierten Playlist durch die warme Jahreszeit tragen. Stellen Sie nur unbedingt sicher, dass sie einen guten Titel hat. Mein Vorschlag für diese: siehe Überschrift.

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