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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Millionäre, die mit Fischen werfen

Will allen Ernstes jemand Rock-Legende sein? Über Star-Musiker und deren Pflicht, die Welt in Atem zu halten.

Folge 199

Die deutsche Musikwelt muss eine Woche vor der 200. Ausgabe des Pop-Tagebuchs als völlig aus den Fugen bezeichnet werden. Zwei News halten die hiesige Pop-Szene in Atem:

Der Rammstein-Sänger Till Lindemann, so war zu lesen, hat bei einem Konzert Fans mit Fischen geworfen, und Wolf Maahn hat angekündigt, eine Sonderedition seines neuen Albums für eine Million Euro an einen Superreichen verkaufen zu wollen. Natürlich sind jetzt alle Dämme gebrochen. Nichts könnte die Fassungslosigkeit der deutschen Pop-Journaille noch steigern. Höchstens, dass Marius Müller-Westernhagen in seiner Funktion als Marius Müller-Westernhagen zurücktritt. Oder irgendetwas mit Lars Eidinger.

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Um den Fisch-Fall Lindemann zu recherchieren, habe ich eben „Rammstein Fische werfen“ in die Suchmaschine eingetippt. Was man nicht alles macht. Ich landete daraufhin auf der Seite des Sonic Seducer, dessen Online-Redakteure Folgendes zu berichten wissen: „Zum Tourauftakt in Hannover am 4. Februar duftenLindemann-Fans einige skandalträchtige Aktionen erleben. Leicht bekleidete Damen und pornografische Videos gehörten dabei zum absoluten Standardprogramm, anders als das Werfen von rohem Fisch. Ging das Duo mit dieser Aktion zu weit? Aufsehen zu erregen, liegt Rammstein-Frontmann Till Lindemann im Blut. Zum Song „Fish On“, den Lindemann 2015 veröffentlichten, schnallte er sich eine Art Bauchladen um, schnitt Fische in Hälften und warf diese ins Publikum. Viele Fans waren verwirrt. Einige Gäste dachten zuerst, es sei kein richtiger Fisch, doch sie wurden eines Besseren belehrt und konnten später die Echtheit bestätigen.“

Ging Lindemann zu weit? Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht. Ich habe festgestellt, dass mir die Musik sämtlicher Musiker, von denen überliefert ist, sie hätten auf der Bühne Fledermäuse enthauptet, Tauben die Köpfe abgebissen, Hühner geschlachtet oder mit Fischen um sich geworfen, ziemlich egal ist. Dieses ganze Tiergedöns ist mir – jenseits ethischer Erwägungen – schlicht zu anstrengend. Ich mag lieber Bands, die sich als Außerirdische verkleiden oder auf der Bühne mit Mofas herumfahren. Am allermeisten mag ich Bands, die als Außerirdische verkleidet mit Mofas auf der Bühne herumfahren.

Kein Spott für den Weltverbesserer

Vielleicht fände ich es interessanter, wenn „Rock-Legende“ („Express“) Wolf Maahn mit Fisch um sich geworfen hätte, aber das ist reine Spekulation. Maahn treibt, wie bereits erwähnt, dieser Tage ohnehin anderes um. Den Erwerb der Sonderausgabe seines neuen Albums, für eine Millionen Euro, knüpft der sendungsbewusste Musiker an klare Konditionen: „Die Bedingung ist, dass eine Million Euro gespendet werden an zwei Nichtregierungsorganisationen, je zur Hälfte für Naturschutz und soziale Projekte“, informierte Maahn vergangene Woche den Kölner „Express“.

Wolf Maahn ist mir nicht unsympathisch. Vor Jahren habe ich ihn mal zwei Stunden lang bei laufender Standheizung in seinem Auto interviewt. Der Mann ist ein erklärter Weltverbesserer, wofür ich keinerlei Spott übrig habe, und hat ein paar Songs geschrieben, die ich mag. Dass er eine „Rock-Legende“ ist, war mir bislang nicht klar. Aber wer weiß: Vielleicht erzählen sich hinter meinem Rücken Menschen mit Rock-Hintergrund die wildesten Wolf-Maahn-Anekdoten, während sie sich Bier trinkend an Flipperautomaten oder Billardtischen zu schaffen machen. Ich kann dazu nichts sagen. Ich bin in dieser Szene nicht unterwegs. Ich finde Rock-Legenden noch uninteressanter als Menschen, die auf der Bühne irgendwelchen Kram mit Tieren veranstalten, wobei mir scheint, dass es überwiegend Rock-Legenden sind, die diesen Tier-Fimmel pflegen. Außer Till Lindemann, der ist einfach nur Till Lindemann.

Will allen Ernstes jemand Rock-Legende sein? Rock-Legende ist einer der fürchterlichsten Berufe, die man haben kann. Ständig muss man in den albernsten Klamotten rumlaufen, drinnen Sonnenbrille tragen und einen Lebensstil vorgaukeln, der unweigerlich regelmäßige Termine bei Fachärzten nach sich ziehen müsste.

Vielleicht kann Till Lindemann Wolf Maahn das Millionen-Album ja abkaufen. Dann hätte der Titel dieser Kolumne wenigstens einen Sinn.

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