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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Hütchen-Musik

Nicht jeder Mann mit Kopfbedeckung macht auch schöne Musik. Unser Kolumnist über eine mal mehr, mal weniger gut behütete Woche.

Folge 139

Was ist schlimmer als Campino und Böhmermann gemeinsam auf Stelzen? Genau – Hütchen-Sänger.

Der Hütchen-Sänger ist vor allem in Deutschland verbreitet und macht in der Regel ausdrucksbefreiten Neo-Soul. Oder besser: Hütchen-Musik. Hütchen-Musik ist Schlager-Soul; völlig entseelte Mitschnipp-Ware fürs Fußwippen in Fernsehgärten.

Der Hütchen-Sänger hält, wie es scheint, sein Hütchen für ein Zeichen von Frechheit und/oder Schlawinertum und möchte mit dem Hütchen vermutlich zum Ausdruck bringen, dass er sich nicht „ganz so ernst nimmt“. Das Gegenteil ist der Fall: Der Hütchen-Sänger nimmt sich wahnsinnig ernst. Der Hütchen-Sänger verhält sich in der Regel zu musikalischer Leichtfüßigkeit wie der deutsche „Comedian“ zu Komik.

Deutsche und Hüte?

Zwar gibt es auch im Ausland etliche Musiker, die mittels Behütung exakt das zu senden bemüht sind, worüber sie so gar nicht verfügen. Deutsche scheinen auf dem Sektor aber besonders engagiert zu sein. Deutsche und Hüte: Das geht in letzter Zeit so gar nicht gut. Denken Sie nur an den vielgeschmähten Marius Müller-Westernhagen (den ich als Rollenspiel-Sänger in den frühen Achtzigern mal ganz gern mochte): Der trägt in letzter Zeit auch so einen komischen Deckel auf dem Kopf: kein Hütchen indes, sondern ein Modell, das ihm den Anstrich amerikanistischer Rustikalität verleihen soll. Meiner Meinung nach sollte er den rasch wieder in der Hutschachtel versenken. Diesen Westernhagen-Mumpitz hat Bob Dylans Hut einfach nicht verdient.

Westernhagen bei den „Echos“ 2017

Bei Dylan war es letzte Woche übrigens wieder lustig. Die Zahl derer, denen immer noch nicht klar geworden ist, dass der Mann keineswegs vorhat, etwas aufzuführen, dass auch nur entfernt an das Schaffen in seiner Jugend Maienblüte erinnert, und die sich entsprechend lautstark über des Künstlers Nicht-Abliefern echauffieren, reißt nicht ab. Die ewige Enttäuschung. Was sich da jedes Mal in den Vorräumen deutscher Mehrzweckhallen abspielt, ist köstlich und längst Teil dieses regelmäßigen Vergnügens namens „Dylan-Konzertbesuch“.

Musikalischer Unsinn?

Eins aber irritiert auch mich maßlos: Was genau macht Bob Dylan da seit Jahren mit „Spirit On The Water“? Im Mittelteil des live oft sehr rumpelnd dargebotenen Songs – der auf dem „Modern Times“-Albums als sommermüdes Wehen daherkommt – spielt Dylan seit Jahren so faszinierend absonderlich gegen seine Band an, dass man geneigt ist, ihm sofort auch noch den Physik-Nobelpreis verleihen zu wollen: Es scheint unmöglich, aber er tut es trotzdem. Man könnte das Ganze für Jazz halten, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es einfach nur musikalischer Unsinn ist (falls es so etwas gibt). Wie gesagt: Dylan macht das seit Jahren! Es handelt sich hier also nicht um irgendeine Art von work-in-progress, die bei einem Auftritt überübermorgen in Fischingen ob der Zausel zu etwas Genialem führen könnte. Er spielt da schlicht seit Jahren völlig unpassendes Zeug. Jedenfalls immer, wenn ich da bin.

Der einzige deutsche Musiker, der unwidersprochen ein Hütchen tragen darf, ist übrigens Tilman Rossmy, seines Zeichens Sänger von Die Regierung, auf deren Kölner Konzert Ihr Chronist vor gut einer Woche weilte. Das neue Album wurde ja an dieser Stelle bereits beschwärmt, entsprechend gespannt war ich auf die Bühnenumsetzung. Und tatsächlich: Nach anfänglichem schüchternem Tasten spielte sich die Band nach und nach in diesen tuckernden neuen Sound hinein. Dazwischen durfte man all den Charlottes und Corinnas wiederbegegnen, die das Neunziger-Meisteralbum „Unten“ bevölkerten. Schön zu hören, wie sich die alten Schwerenöter-Songs und die neuen Lieder übers Älterwerden anstrengungslos beieinander unterhaken. Die Behütung spielte bei dieser von allem überflüssigen Quatsch entschnodderten Musik keine Rolle. Der Hut war einfach nur da. Und Tilman Rossmy bleibt einer der Größten.

Es geht auch ohne Robin D.

Manchmal nervt die deutsche Popmusik aber auch ganz ohne Hut. Vor ein paar Tagen flatterte mir diese forsche Anfrage ins Mail-Postfach: Was haben der Volksmusikstar Andreas Gabalier und der Frontmann von Frei.Wild, Phillip Burgert, gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts erkennbares. Beide vertrauen sie aber dem Star Vocal-Coach Robin D. Er ist einer der gefragtesten Voice-Trainer der Welt. Gerade erst hat ihn die große Aretha Franklin gebucht und lässt ihn einfliegen. 

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Zu Robin D.s Klienten zählen Stars einer sehr großen Bandbreite, darunter Rockstars, Grammy-Gewinner, Metaler und Operndiven. Er betreut Klienten aus der Klassik, Pop/Rock, Schlager, Jazz und Metal. Wenn es einen Experten in Deutschland gibt, der fachlich in der Lage ist, die unterschiedlichsten Sänger national und international einzuschätzen, dann Robin D. Was meinen Sie: Wäre Robin D. für Sie ein geeigneter Experte, O-Ton-Geber o.ä. für die kommenden redaktionellen Themen?

 Ich möchte meinen: nein.

TOBIAS SCHWARZ AFP/Getty Images
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