Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Herumlungern
Über die Anmut von stehenden Musikern auf Fotos auf Plattencoverrückseiten.
Folge 144
Vor ein paar Tagen begegnete mir ein Gentleman, der eben vom Flohmarkt kam und im Arm mehrere Schallplatten mit sich führte. Was er denn da gekauft habe, fragte ich ihn, woraufhin der Herr mir stolz seine Neuerwerbe auffächerte. Ich weiß gar nicht mehr genau, welche Platten das waren. Doch, ein Album von Jeffrey Lee Pierce war dabei, das ist immer eine gute Sache. An seine Begründung für den Erwerb eines Albums der mir – und ihm – völlig unbekannten Band The Flips aber erinnere ich mich genau: „Die Typen stehen hinten so toll achtzigermäßig auf dem Backcover-Foto rum, die musste ich einfach mitnehmen“, sagte der Mann, und ich meine, er hätte dabei fast zärtlich über die Hülle gestrichen. Das betreffende Bild zeigte eine leicht aufsichtige Schwarz-Weiß-Aufnahme von vier Gestalten, die in einem Industriehafen o. Ä. herumlümmelten.
Typen, die toll achtzigermäßig auf einem Backcover-Foto rumstehen – wer nach solchen Kriterien Schallplatten kauft, der kann nicht verlieren. Lassen Sie mich so sagen: Eine Band muss gut auf einem Backcover-Foto herumstehen können, sonst kann sie den ganzen Krempel mit dem Musikmachen sofort einstellen. Dieses Herumstehen kann, ach was, sollte – nein, muss durchaus individuell gestaltet werden. Wichtig ist allein das gute Herumstehen. Klassische Superherumsteher waren natürlich die Ramones. Herumstehen mit Haltung, Lungern als Marke – um nichts weniger geht es hier. Ein anderes sehr gutes Backcover-Herumsteherfoto ziert die Rückseite der AC/DC-Platte „Highway To Hell“: Tipptopp wird da gestanden. Später, nach dem Einstieg von Brian Johnson, hatten AC/DC das mit dem Herumstehen nicht mehr so drauf, hier setzt auch der Niedergang ihrer Musik ein. Sie verstehen, worauf ich hinauswill?Inszeniertes Herumstehen
War bislang eher vom scheinbar unmotiviert In-der-Gegend-Herumlungern punk- bzw. hardrockiger Prägung die Rede, so muss natürlich auch über das inszenierte Herumstehen inszenierungsfreudiger Künstlertypen mit immensem Popwissen gesprochen werden. Ein schönes Beispiel für Letzteres ist die Rückseite der Talking-Heads-Platte „Little Creatures“. Die Band steht hier steif nebeneinander und ist in eine Garderobe gehüllt, die sie aussehen lässt wie die Mitarbeiter der Paisly-Park-Telefonzentrale 1985. Vorreiter waren auch beim guten Rückseitenherumsteherfoto natürlich wieder die Beatles: Wie die Fab Four auf dem Backcover von „Meet The Beatles“ im Fotostudio posieren, ist schwer zu übertreffen. Noch ein Favorit: The Cramps auf der Rückseite von „A Date With Elvis“. Sleaze-Heaven!
Es ist vielleicht unnötig, darauf hinzuweisen, aber es geht hier strikt um Rückseiten. Was irgendwelche Bands auf ihren Frontcovern treiben, ist mir – zumindest für die Länge dieses Kolumneneintrags – schnurz. Die B-52’s etwa, absolute Meister des inszenierten Herumstehens auf Fotos, müssen ungenannt bleiben, da es der Gruppe gefiel, ausschließlich auf den Vorderseiten ihrer prägenden Alben abgebildet zu sein. Sehr leid hätte es mir getan, Blondie nicht erwähnen zu dürfen, aber im Falle von „Parallel Lines“ wird vorn und hinten gestanden. Vorn allerdings schöner.„Ist ja alles gut und schön mit diesen Coverrückseitenfotos“, mag manche Leserin einwenden, „aber was ist denn nun eigentlich mit der eingangs erwähnten The-Flips-Platte? Das habe ich den Käufer eben per E‑Mail auch gefragt. Tatsächlich sei es nicht die Coverrückseite allein gewesen, die den Ausschlag für den Erwerb gab. Auch die Namen zweier beteiligter Musikerinnen: Cressida Sparrow und Nicola Bloch, hätten den Kauf befeuert. Ansonsten klinge die Platte (wie angenommen) nach Everything But The Girl, The Pale Fountains, Aztec Camera, Talulah Gosh. Alles in Ordnung also, schöne Grüße!