Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Herrenrunde, viel Wein und Erinnerungen an Phil Collins, Prince und Green On Red
Eric Pfeil und Freunde hören – zumindest einen Abend lang – Musik, die perfekt zum Testen neuer Stereoanlagen geeignet ist.
Folge 116
Ich will es ihnen ehrlich sagen: Dieser Text könnte darunter leiden, dass ich mich in vom Vorabend arg lädiertem Zustand befinde. Ich war zu einem Dreier-Herrenabend mit Trunk, Musik und Plausch geladen. Vor allem der Trunk wirkt nach, und die Erinnerungen an Plausch und Musik kehren nur langsam zurück. Ich weiß noch, dass wir in des Gastgebers Musikzimmer saßen und sich gerade Steve Forberts halbwegs vergessene Spitzenplatte „Jackrabbit Slim“ drehte, als das Gespräch auf die sogenannten 80er-Jahre kam. Er habe neulich mit seiner Tochter eine Folge der Kinder-serie „Schloss Einstein“ gesehen, berichtete der eine Freund, und da sei am Ende dieser Song vorgekommen.
Früher habe er den gehasst, heute hingegen finde er großen Gefallen an ihm, das Lied heiße „Hold Me Now“. Ja, das sei von den Thompson Twins, sagte ich, das habe ich aber immer schon gemocht. Bei mir hingegen gebe es andere Achtzigerstücke, die ich früher verabscheut hätte, heute hingegen sehr schätzte, vieles von Phil Collins etwa. Was denn bitte plötzlich diese allüberall grassierende Phil-Collins-Wieder-beziehungsweise-Neuentdeckerei solle, warf der dritte Herr ein, während er Wein nachschenkte, er habe da absolut kein Verständnis für.
Im weiteren Verlauf sprachen wir wohl darüber, dass man damals bestimmten Platten – aufgrund ihres vermeintlich überwältigenden Klangs – zuschrieb, perfekt zum Testen neuer Stereoanlagen geeignet zu sein. Das Stereoanlagen-Test-Album schlechthin, darin deckten sich unsere Erinnerungen, sei die fürchterliche Dire-Straits-Platte „Brothers In Arms“ gewesen. Fiese Platte. Ja, fies. Oh ja, sehr fies. Aber vermutlich kurz vor ihrer Neuentdeckung durch junge Menschen mit nervigen Frisuren.
Er habe in den Achtzigern ganz gern Huey Lewis gehört, informierte der Gastgeber und ließ weiteren Wein ins Glas rauschen. Inzwischen lief irgendeine Record-Store-Day-EP von Big Star. Bevor er näher von seiner früheren Zuneigung künden konnte, waren wir aber schon bei Prince. Man ist ja dauernd bei Prince, völlig zu Recht. Einer der Gentlemen, ich weiß nicht mehr welcher, hatte Prince um 1988 mal in Frankfurt oder so live gesehen. Danach sei, wie immer, von einem anschließenden Geheim-gig in irgendeinem winzigen Club gemunkelt worden. Auch er sei natürlich hingefahren. Prince sei aber nicht da gewesen, nur Boris Becker. Achtziger eben.
Er habe ja alles Green On Red zu verdanken, sagte plötzlich der Mann, der in jungen Jahren laut eigener Aussage regelmäßig am Phil-Collins-Altar gekniet hatte. Bei einem Konzert der Band sei er Zeuge geworden, wie Dan Stuart und Chuck Prophet nach der Zugabe lachend mit wildfremden Damen aus dem Publikum im Backstage-raum verschwunden seien. Am nächsten Tag habe er all seine Mainstreamplatten verkauft. Von Green On Red hatte der Gastgeber nichts, deshalb hörten wir „Brave Words“ von The Chills. Tolle Platte, ein Riesen-song nach dem anderen, klingt aber total dumpf. Ja, verrückt, bei mir zu Hause auch. Wir tranken auf The Chills und einigten uns darauf, dass „Brave Words“ wohl die dumpfeste Platte der Musikgeschichte sei. Zum Testen von Stereoanlagen denkbar ungeeignet. „Mother Juno“ von The Gun Club sei schlimmer, warf der Green-On-Red-Erweckte ein. Wir verabredeten uns, mit beiden Alben demnächst mal in ein Hi‑Fi-Center zu latschen.
Ich glaube, auf dem Heimweg erzählte mir der Green-On-Red-Mann im Taxi von einer tollen Platte, die irgendein Typ gemacht habe, der früher Gastmusiker bei der Band dEUS gewesen sei. Allerdings sei nur dieses eine Album so sagenhaft. Früher habe der Musiker für seinen Geschmack zu viele Videos gedreht, in denen er sich bekotzt habe. Bekotzt? Ja, bekotzt. Glaube er jedenfalls. Dann musste er aussteigen. Toller Abend. Ja, toller Wein. Bald wieder!