Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Beste Lage in Hannover
Beim Klassentreffen stehen Simone, Marc und Karsten beisammen und reden über Popmusik von früher.
Folge 274
MARC: Letztens bin ich mit dem Rad durch die Stadt gefahren und wurde dabei acht Mal von einem gelben Smart überholt, aus dem laut das „Brothers In Arms“-Album von Dire Straits drang. Ich habe seither mein Verhältnis zu der Platte geändert.
KARSTEN: Acht Mal? Das heißt, dass du den Smart deinerseits siebenmal überholt hast.
SIMONE: Mann, Karsten, das ist so unrelevant wie die Tatsache, dass der Smart gelb war. Erzähl weiter, Marc: Inwiefern hat sich dein Verhältnis geändert?
MARC: Also ich hab die Platte früher gehasst. „Walk Of Life“, „Money For Nothing“ …
KARSTEN: Das war doch das Album, das in Hi-Fi-Geschäften Mitte der Achtziger immer zum Gerätetesten eingelegt wurde.
SIMONE: Jetzt lass ihn doch mal ausreden!
MARC: … „So Far Away“, „Your Latest Trick“ …
SIMONE: Grundgütiger, hab ich alles verdrängt! Zu „Walk Of Life“ mussten wir in der Tanzschule damals Jive tanzen. Das hat mein Leben zerstört.
KARSTEN: Aber „Walk Of Life“ ist doch kein Jive, oder?
MARC: Jedenfalls habe ich nach der achten Überholung gedacht, dass ich die Platte gar nicht mehr so scheiße finde. Beziehungsweise, ich find sie immer noch scheiße, aber geil-scheiße. „Brothers In Arms“, das will ich sagen, ist ein typisches geiles Scheißalbum.
SIMONE: Ah, so wie das Toto-Album.
KARSTEN: Oder „The Getaway“ von Chris de Burgh.
SIMONE: Quatsch, das ist nur scheiße. Riesenunterschied.
MARC: Schlimm.
(Ludger gesellt sich zu der Runde.)
LUDGER: Hab ich das richtig mitbekommen? Redet ihr gerade über Chris de Burgh?
KARSTEN: Nee, Marc ist neulich von einem gelben Smart –
MARC: Ist ja auch egal. Kaufst du dir noch Platten, Ludger?
LUDGER: Nee, aber ich bastle mir ständig Spotify-Playlists zu verschiedenen Moods zusammen.
MARC: Was denn für Playlists?
LUDGER: Ach, die haben so Namen wie „Schimanski in Hannover“ oder…?
KARSTEN: Hä? Und was ist da drauf?
LUDGER (lächelt verlegen): Na, so Musik, von der ich finde, dass sie in einem Schimanski-Tatort aus den Achtzigern hätte laufen können, der aber in Hannover spielt.
SIMONE: Und warum Hannover?
LUDGER: Wegen Jörg Fauser.
KARSTEN: Hä?
LUDGER: Ja, weil mein Lieblingsbuch von ihm „Das Schlangenmaul“ ist, und das spielt in Hannover. Und beides, Schimanski und Fauser, ist so Bundesrepublik-derAchtziger-typisch.
SIMONE: Klingt komplex, aber irgendwie gut.
Mehr Texte von Eric Pfeil
- Eine Kiste Christenrock
- Summer Of Pop
- Gründet eine Band!
- Der Samt-Frosch mit der Flöte
- Mutters Asche für den Star
- Reise zu den Stars
- Wenn die Mamba spielt
- Über das Tragen von Band-T-Shirts
- Söldner im B-Movie
- Trübe Tage mit Jimmy Buffett und Sangria
- Wenn der Rücken zwickt
- Preziosen im Ramsch
- Wie ich einmal neue Lautsprecherboxen brauchte
- Heute keine Platte!
- Zum Tag des deutschen Bieres
- Was man NICHT in den Platten-Grabbelkisten finden will
MARC: Hat Fauser nicht mal Songtexte für Klaus Lage geschrieben, der ja wiederum mal einen Schimanski-Song gemacht hat?
SIMONE: Nee, der hat für Achim Reichel getextet. Aber wisst ihr, wie Klaus Lages Best-of-Compilation von 2008 heißt?
KARSTEN: Nee, sag.
SIMONE: „Beste Lage“.
MARC: Wow!
LUDGER: Chris de Burgh ist übrigens auch auf der Schimanski-Playlist.
SIMONE: Klar.
MARC: Muss ja.
SIMONE: Die Scorpions auch? Also von wegen Hannover …
LUDGER: Ja, die sind drauf mit „Still Loving You“.
SIMONE: Wisst ihr, wie sich die Scorpions zum Zeitpunkt ihrer Gründung genannt haben?
(Alle schütteln den Kopf.)
SIMONE: Nameless.
(Eine Pause entsteht. Alle vier nippen an ihren Getränken. Im Hintergrund läuft „Footloose“ von Kenny Loggins.)
KARSTEN: Also ich find’s schon relevant, dass es ein gelber Smart war, in dem „Brothers In Arms“ lief.