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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Endlich Endzeit

Über apokalyptische Achtzigervideos, prolligen Deutschrock und eine Band namens Wanda.

Folge 98

Kennen sie „wild heart“ von Alan Vega? Als mir ein Bekannter das Stück vor ein paar Tagen vorspielte, rief ich nach nur einigen Takten aus: „Super, klingt ja wie die Doom-Version von ‚When The Rain Begins To Fall‘ von Pia Zadora und Jermaine Jackson!“ Dabei ist das natürlich Quatsch: „When The Rain Begins To Fall“ ist ja selbst schon der totale Doom. Das Video zumindest – für mich das beste Endzeitvideo der ja ohnehin schon ziemlich endzeitgeplagten 80er-Jahre.

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Ein wenig sieht der Clip aus wie ein italienischer Actionfilm von 1983, nur mit dem Unterschied, dass die Produktion des Videos ein paar Millionen Dollar teurer gewesen sein dürfte als alle italienischen Actionfilme des Jahres 1983 zusammen. Was ich sehr drollig finde, ist, dass man seinerzeit offenbar annahm, künftige postapokalyptische Endzeitüberlebende würden allesamt Klamotten tragen, die aussehen, als hätte ein New-Romantic-Mode­designer versucht, Aerobic­kleidung zu nähen.

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Schlichte Musik für komplexe Hörer

Zwischenruf einer aufgebrachten Leserin: „Endzeit-Musikvideos! Pia Zadora! New Romantic! Ist doch uninteressant, Pfeil! Schreiben Sie besser mal was über ein popmusikalisches Reizthema! Wie stehen Sie etwa zu Wanda?“ Ach ja, Wanda. Ich finde, die Band Wanda schließt im deutschsprachigen Pop eine wichtige Lücke. Wanda spielen schlichte Musik für komplexe Menschen und decken somit die Sehnsucht halbgebildeter Popmusikhörer nach simpler, prolliger Musik ab. Das erklärt auch das scheinbar unverhältnismäßige Dröhnen in den Feuilletons. Anders als in Großbritannien, wo es ja immer so wunderbar bauernschlaue Bands wie Oasis gegeben hat, ist diese Nische im deutschsprachigen Raum lange nicht besetzt gewesen (eigentlich seit den frühen Westernhagen-Alben nicht). Ich bin Wanda sehr dankbar, dass sie eine gewisse charmante Stumpfheit in den Deutschrock zurückgebracht haben.

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Jetzt, liebe Leserin, will ich aber wieder über „When The Rain Begins To Fall“ schreiben. Produziert hat den Song der in Köln geborene Schlagerstrippenzieher Jack White (Komponist von Tony Marshalls „Schöne Maid“), den Text schrieb die Sängerin Peggy March. Es gab auch eine kongeniale deutsche Version, die von Costa Cordalis und Lena Valaitis dargeboten wurde, die ja beide ebenfalls irgendwie für Doom standen.

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Der Grund, warum das Video der Originalfassung so sehr nach Italo-Endzeitfilm ausschaut, könnte übri­gens auch darin liegen, dass die Dreh­arbeiten im italienischen Sperlonga stattfanden. Vielleicht ist aber auch die 3-D-Sonnenbrille von Pia Zadora schuld. Auch in einem amerikanischen Spielfilm fand das schöne Lied Verwendung. Der Film trägt den Titel „Voyage Of The Rock Aliens“ und handelt von einem gitarrenförmigen Raumschiff, dessen Besatzung auf der Suche nach den Wurzeln des Rock’n’Roll durchs Weltall schippert.

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So weit, so vernünftig. Pia Zadora ist auch hier dabei, die Rock-Aliens wiederum werden von Mitgliedern der Band Rhema gespielt, von der selbst die meisten Sammler total obskurer Bands noch nie gehört haben dürften. Zu Recht: Rhema begannen als christliche Rockband und endeten als alberne Devo-Kopie. Vielleicht hätten sie ja als christliche Devo-Kopie etwas werden können, aber hier betritt man das allzu glatte Parkett des Spekulativen. Auch die Schauspielkarriere von Pia Zadora hatte sich nach dem Film mehr oder weniger erledigt.

https://www.youtube.com/watch?v=vDDsDk4gbY4

„Don’t Take It Personal“

Erneuter Zwischenruf der immer noch aufgebrachten Leserin: „Also wenn es schon um so einen Quatsch wie ‚When The Rain Begins To Fall‘ geht, wäre es wenigstens schön zu erfahren, was aus Jermaine Jackson geworden ist!“ Stattgegeben: Jermaine Jacksons letztes reguläres Album erschien 1989 und landete auf Platz 115 der US-Charts. Der bezeichnende Titel: „Don’t Take It Personal“. Auf der anschließenden Nahost-Tour konvertierte er zum Islam und heißt seither Muhammad Abdul Aziz.
Vielleicht sind Wanda ja auch die neuen Extra­breit? Deren Karriere ging übrigens – ähnlich wie die von Rhema – nach einem Filmauftritt (in der Nena-Komödie „Gib Gas – Ich will Spaß“) in die Binsen. Haupt­sache, Wanda spielen nie in einem Endzeitfilm mit. Was macht eigentlich Alan Vega?

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