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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Ein Teddy namens Cocker

Über einen beschwingten Abend mit Diskursen über Jeb Loy Nichols, Gheorghe Zamfir, Planflötenspiel, Ivan Rebroff und Billy Childish

Folge 244

Neulich saßen wir zu dritt bei einem Freund herum. Man sprach über dies und das und trank wohl auch dies und das. Musik wurde ebenfalls gehört. Gleich zu Beginn der Sause legte der Gastgeber die jüngste Platte von Jeb Loy Nichols auf. Ob dies genehm sei? Auf jeden Fall!, rief der andere Gast, er wisse nur nicht so recht, was er vom Einsatz der Panflöte bei einem der Lieder halten solle, das sei doch ein recht problematisches Instrument. Kurz vertieften wir uns in das beliebte Partythema Gute Songs mit Panflötenparts (Ergebnis: Es gibt keine, und Ennio-Morricone- Soundtracks zählen nicht), da lief im Hintergrund auch schon der betreffende Song.

Nein, nein, das sei keine Panflöte, hörte ich mich sagen, das sei ein durch irgendein Effektgerät gejagtes Saxofon. Kurz wurde erörtert, ob durch Effektgeräte gejagte Saxofone, wenngleich aneignungsunverdächtig, im Kontext von Popmusik womöglich noch ächtenswerter seien als Panflöten, doch das Gespräch verlief im Sande. Ob denn der Rumäne Gheorghe Zamfir, der hierzulande populärste Panflötenspieler, so etwas wie die Avantgarde der Aneignung sei, wollte jemand am Tisch wissen. Nach kurzer Recherche musste die Theorie verworfen werden, denn Wikipedia informierte, dass das Panflötenspiel auch in Rumänien zumindest verbreitet ist.

Wir sprachen dann eine Weile über Themen, von denen wir mehr verstanden, etwa über den Berliner Sänger Hans Rolf Rippert, der unter dem Namen Ivan Rebroff jahrelang in TV-Shows die Seele Russlands spürbar werden ließ. 1981 wettete ein Mann bei „Wetten, dass..?“, höher singen zu können als der Sänger – und scheiterte krächzend.

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Irgendwann war die Jeb-Loy-Nichols-Platte vorbei und der Gastgeber legte das jüngste Werk eines anderen musizierenden Antikapitalisten auf: „The Baptiser“ von Billy Childishs Band The William Loveday Intention. Die Platte ist eine bemerkenswerte Verwurstung von Bob-Dylan-Motiven der 60er- und 70er-Jahre; selbst vor einer Version von „Knockin’ On Heaven’s Door“ wird nicht zurückgeschreckt. Wenn es, sprach der andere Gast, einen Musiker gebe, dessen Werk verlässlich keine Panflöten oder Effektsaxofone enthalte, dann sei es Billy Childish. Noch so eine tolle vergessene Platte des Jahres.

Alkohol mag dem Fluss eines Gesprächs dienlich sein, der Logik eher nicht. Irgendwann jedenfalls, keine Ahnung warum, landeten wir bei einem Thema, das im gegenwärtigen Popdiskurs meist vernachlässigt wird: Joe Cocker. Ich erinnere mich nicht an viel, aber zum allgemeinen Erstaunen wusste der Gastgeber zu berichten, dass seine Tochter, als sie klein war, ein Kuscheltier besessen habe, dem sie den Namen Joe Cocker verpasst hatte. Ja warum das denn bloß?, entfuhr es unisono dem anderen Gast und mir, woraufhin der Hausherr ins Zimmer der Tochter eilte, um das Zustandekommen der Namensvergabe zu erfragen. Die Tochter bestätigte zwar, ein Kuscheltier namens Joe Cocker besessen zu haben, nähere Hintergründe konnte sie allerdings nicht liefern.

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Jeb Loy Nichols’ Saxofonist heißt übrigens Paul Booth. Der Künstler tourt derzeit unter anderem mit Rick Astley. Also Paul Booth, nicht Jeb Loy Nichols. Gheorghe Zamfir höchstselbst ist wiederum der Panflötenspieler, den man auf Ennio Morricones Soundtrack zu „Once Upon A Time In America“ hört. Ein weiterer von Zamfir veredelter Soundtrack ist der zu „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“, einem Film, der nun wirklich alles über unsere täglichen Mühen in der Tretmühle des Daseins erzählt.

Irgendwann war an Sprechen nicht mehr zu denken. Stattdessen tanzten wir ausgelassen Ivan Rebroffs Kosakentänze nach, bis die von unserem Getöse aus dem Schlaf gerissene Frau des Gastgebers im Raum stand und anmerkte, dass Rebroff zwar in folkloristischer Tracht gesungen, aber nicht so albern getanzt habe und wir ihn vermutlich mit dem verstorbenen Vortänzer von Dschinghis Khan, übrigens einem gebürtigen Südafrikaner, verwechselten. Da standen wir nun betrunken, beladen mit Information und frei von Wissen und ahnten: Die Sache mit der Popkultur bleibt komplex.

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