Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Christian Regenbogen an der Trance-Theke
Plattenhändler klagen, dass die Leute bei ihnen nur noch Alben von Modern Talking, James Last und Alan Parsons loswerden wollen. Von Alan Parsons ist es dann nur noch ein kleiner Schritt bis zu Chris Rainbow – Zeit, diese Musik zu beleuchten, mit denen sich in den Achtzigern Hörer die Bude vollplüschten.
Folge 107
Gestern war ich in München. Da geht’s vielleicht popkulturmäßig ab!
Nein, stimmt nicht, aber irgendwie will ich einfach meinen gestrigen München-Aufenthalt für diesen Text nicht unverwurstet lassen. Anlass der Reise war ein Treffen mit Udo Lindenberg, der Gerüchten zufolge demnächst 70 Jahre alt wird. Über diese Begegnung kann ich aber an dieser Stelle leider nichts schreiben, weil sie erst demnächst im Blatt Ihres Vertrauens dokumentiert werden wird.
Eigentlich sind meine Aufenthalte in München immer gleich: Ich freue mich an der Stadt, die ich – anders als viele unsensible Preußen – sehr gerne mag und trinke viel Bier. Womöglich begründet Letzteres ja Ersteres.
Mein Absackgetränk an der Hotelbar wurde leider von einer ekligen Trance-Version von Chris Isaaks großartigem „Wicked Game“ begleitet, die bald in eine eklige Trance-Version von Feists auch nicht gänzlich ungroßartigem „Limit To Your Love“ überging. Es gibt wirklich keinen Grund, so etwas laufenzulassen.
In einer Woche bin ich schon wieder in München. Dann werde ich dort auftreten. Im Valentin-Musäum, wo ich – wie ich finde – irgendwie hingehöre. Ich werde dann wieder viel Bier trinken und die Stadt schön finden.
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Vor ein paar Tagen ging ich mal wieder ins Schallplattengeschäft.
Ich suchte das Byrds-Album „The Notorious Byrd Brothers“, aber natürlich war „The Notorious Byrd Brothers“ nicht vorrätig.
Während ich also, mehr aus Langeweile denn aus Forscherdrang, durch die Fächer blätterte, nahm der Ladenbesitzer einen Anruf entgegen.
„Ach Jürgen … das ist ja … och, gut soweit … ja, immer noch. … Ja, ich hab grad mal wieder ne große Sammlung angekauft. … Ja, in den USA war ich auch grad wieder … ja, ich hab ein paar schöne Sachen mitgebracht … viel Country. … Ja klar rufen auch immer noch Leute an, die Platten verkaufen wollen, aber das ist in der Regel schrecklich. Immer dasselbe: Modern Talking, James Last, Alan Parsons.“
Da musste ich dann doch ins Plattenregal hineinschmunzeln. Was für eine schöne Reihung: Modern Talking, James Last, Alan Parsons.
Über James Last habe ich schon an dieser Stelle geschrieben, zu Modern Talking fällt mir nichts ein, darum ein paar Worte zu Alan Parsons, dessen Platten in den Achtziger Jahren bei Menschen, die sich nicht sonderlich für Musik zu interessieren schienen, häufig die Bude vollplüschten.
Der Londoner Parsons, Jahrgang 48, begann als Toningenieur und wirkte als blutjunger Assistent etwa an der Entstehung der letzten beiden Beatles-Alben mit. Bei den Pink-Floyd-Werken „Atom Heart Mother“ und „Dark Side of the Moon“ saß er dann schon als hauptverantwortlicher Toningenieur im Sessel.
1976 gründete er mit dem ebenfalls Abbey-Road-erprobten Session-Pianisten Eric Woolfson das Alan Parsons Project (Irgendwie muss er Woolfson überzeugt haben, dass der Name Eric Woolfson Project nicht halb so toll klingt wie Alan Parsons Project. Ich vermute einfach mal, dass in einem parallelen Musikuniversum, das wir alle erst nach unserem Ritt in den Orkus bestaunen werden, das Eric Woolfson Project zahlreiche Megahits hat). Gemeinsam taten die beiden Männer das, was man 1976 eben tat, wenn man für Punk zu alt oder sonst etwas war: Man vertonte Geschichten von Edgar Allan Poe und nannte das Ergebnis „Tales of Mystery and Imagination“. Ein Albumtitel, den man immer wieder verwenden sollte.
Nachdem sich die Musiker vom Art-Rock losgesagt hatten, folgten zahlreiche Platten, auf denen die Band zunehmend dem Softrock-Gott huldigte und die vor allem in Deutschland reißenden Absatz fanden. Der Alan-Parsons-Project-Hit „Lucifer“ aus dem Jahr 1982 dient bis heute als Auftaktmusik der WDR-Sendung Monitor, auch „Eye in the Sky“ und „Don’t answer me“ dürften Menschen, die in den Achtzigern aufs Mainstream-Radio angewiesen waren, noch in Erinnerung haben. Ich fand diesen esoterischen Puschelpop damals grauenhaft, heute fasst er mich auf unergründliche Weise durchaus ein wenig an.
Als Sänger wirkten bei Alan Parsons Project im Laufe der Jahre u.a. Colin Bluntstone (einst die Stimme der Wunderband The Zombies), John Miles und ein Gentleman mit dem genialen Namen Chris Rainbow mit.
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Ich muss ein wenig zurückrudern, was meine Isolation-Berlin-Lobpreisung (s. meine letzte Kolumne) angeht. Das Album will mir auch nach vielfachem Hören dann doch nicht ganz so gut gefallen wie die EP von 2014. Der Grund: Manchmal lässt sich die Band doch zu sehr zum Wut-Rock hinreißen. Am besten sind Isolation Berlin aber dann, wenn verschlufft geschrammelt und melancholisch gemaunzt wird. Der Ausdruck von Wut in der Popmusik hat mich schon immer gelangweilt. Ich werde bis zum nächsten Mal über Ausnahmen nachdenken.
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Warum heißt man Chris Rainbow? Der vor gut einem Jahr verstorbene Sänger (Zitat Alan Parsons: „the One Man Beach Boys“), der eigentlich auf den Namen Christopher James Harley hörte, erklärte es in einem Interview so: „Steve Harley was at his peak and I didn’t want any confusion. The name Rainbow was found one evening as me and some friends were watching TV and the reporter’s name flashed on the screen as ‚Christopher Rainbow‘, so that was that.“
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Ob es auch Hotels gibt, an deren Hotelbartheken den dort zum Trunke versammelten Menschen Trance-Versionen von Alan-Parsons-Songs zugemutet werden? In solchen Hotels of Mystery und Imagination sehen die Badezimmerspiegel wahrscheinlich aus wie weinende Katzen.