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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Söldner im B-Movie

Von synchronisierten Rockstar-Dokus, Marktsackpfeifen und Chuck Norris.

Folge 264

Ich habe eine neue Lieblingsbeschäftigung: Mit überschwappender Begeisterung schaue ich seit ein paar Wochen Rockmusiker-Dokus mit deutschem Voice-over. Hui, das ist ein Spaß!

Keine Ahnung, wie man das in, sagen wir, Spanien handhabt. In Deutschland jedenfalls ist es so, dass die Stimmen, die über das Rockstar-Geplapper in diesen Dokus gelegt werden, oftmals den Eindruck erwecken, als wähnten sich die Sprecher in einem Synchronstudio des Jahres 1985 zwecks Bearbeitung eines im Söldner-Milieu angesiedelten B-Actionflms: Es muss immer klingen, als würde der sonnenbebrillte Angeber-Rockstar erzählen, wie er dereinst mit bloßen Händen eine Anakonda erwürgt hat – auch wenn er nur von einer schlecht besuchten frühen Tournee berichtet.

Selbst Shane MacGowan hört sich in der deutschen Fassung von Julien Temples Film über ihn an wie Chuck Norris in „Missing In Action“. Ich kann mir nicht helfen, aber diese hiesigen Doku-Fassungen scheinen mir ein weiteres Indiz für das eigentümliche Verhältnis der Deutschen zur Rockmusik zu sein. Ein anderes ist die Existenz von Mittelalter- und Shanty-Rock.

Da es an dieser Stelle dringend zu vermeiden gilt, dass dieser Text zum Thema Mittelalter- und Shanty-Rock abdriftet, schweife ich lieber zu Chuck Norris ab. Das mag für viele aufs Gleiche hinauslaufen, es gibt jedoch feine Unterschiede.

So ist Chuck Norris beispielsweise in keinem seiner Filme je beim Spielen von Marktsackpfeifen zu sehen, wohingegen das Instrument im Mittelalter-Rock durchaus verbreitet ist. So ziemlich alles andere hat Chuck Norris sehr wohl getan – sogar gesungen, etwa den Titelsong von „Walker, Texas Ranger“.

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Auch andere Größen des Actionkinos flexten im Laufe ihrer Karriere den Sangesmuskel. Ein Glanzlicht stellt in diesem Zusammenhang Sylvester Stallones Darbietung des Lieds „Drinkinstein“ in dem Film „Rhinestone“ dar – ein Tag, an dem ich diese kurze Szene nicht gleich morgens als Einstimmung auf alles Kommende geschaut habe, muss als vergeblich betrachtet werden.

Sie merken: Diese Kolumne ist schon jetzt in einem Ausmaß entgleist, dass kein amerikanischer Actionheld oder dessen Synchronsprecher sie noch retten könnten. Da kann ruhig noch darauf hingewiesen werden, dass Sylvester Stallones Bruder Frank mal einen Hit in den deutschen Charts hatte – also dort, wo heute die Marktsackpfeife dudelt. „Far From Over“ heißt der Song. Er stammt aus dem von Sylvester Stallone inszenierten Film „Staying Alive“ mit John Travolta in der Hauptrolle. Wer das Lied hört, der oder dem wachsen sogleich Stulpen an den Waden. Travolta erhielt für den Film die Goldene Himbeere als schlechtester Hauptdarsteller; auch allen anderen Beteiligten sollte dringend etwas verliehen werden.

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Damit diese Ausgabe des Pop-Tagebuchs wenigstens zu irgendetwas gut ist, möchte ich darauf hinweisen, dass das erwähnte amerikanische One-Hit-Wonder Frank Stallone dem italienischen One-Hit-Wonder Ryan Paris („Dolce Vita“) zum Verwechseln ähnlich sieht. Beide hatten ihren Hit 1983. Ein klarer Hinweis – die Frage ist nur: worauf? In irgendeiner Parallelwelt hat in jenem Jahr vielleicht irgendein Regisseur ein B-Movie mit Frank Stallone und Ryan Paris gedreht, in dem die beiden Zwillingsbrüder spielen, die durch die Verkettung dummer Zufälle in Kampfandlungen geraten und am Ende die Welt vor dem Untergang retten. Da beide Künstler noch leben, könnte man den Film auch heute noch drehen. Die Zeiten sind ja wieder danach.

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Wissen Sie, am Ende geht es doch nur um eins: Man muss irgendwie durch die Dunkelheit kommen – Sie, verehrte Leser:innen, ebenso wie Ihr Kolumnist, Chuck Norris oder Ryan Paris. Ob nun mit einem Kolumnentext, dem sorglosen Singen eines Liedes namens „Drinkinstein“ oder mit einer robust übersetzten Rock-Doku.

Wir sind alle nur enttäuschte Träumer auf der verzweifelten Suche nach Liebe und Schönheit. Hierbei gibt es keine falschen Abzweigungen. Wir sollten nur alle aufpassen, dass uns niemand die Goldene Marktsackpfeife verleiht.

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