Er schrieb den „Schneemann“ und dichtete für Achim Reichel. Zum 10. Todestag von JÖRG FAUSER gibt es nun eine Wort-CD
Große Helden aus Pop & Politik sterben immer wieder. Also: nie ganz. Da jährt sich der Todestag – und Elvis wird an einer Tankstelle gesehen und Adolf betreibt eine Pension in den Alpen. Im Sommer 1997 war Jörg Fauser zehn Jahre tot. In Großstädten mit 2001-Filialen und dem, was man eine „Szene“ nennen könnte (wohl gar eine „literarische“!), versammelten sich Autoren, Sänger und Literaturbetriebsausflügler aus Umfeld oder Gefolge zu huldigenden Leseabenden. Das ging so: Gerntrinkende Quasi-Journalisten mit analytischem Maximalverständnis wie Franz Dobler, Harry Rowohlt, Wiglaf Droste und auch Roger Willemsen sind gern bereit; Achim Reichel, für den Fauser einst dichtete, findet das „eine schöne Sache“ – und selbst die Witwe wird erwartet. Herr Westernhagen, der in der „Schneemann-Verfilmung brillierte, brilliert leider just in Wimbledon, gemeinsam mit Herrn Becker, nicht zu erreichen. Muß man verstehen. Helmut Krausser, der literarische Großkotz und Potenzgaul, der sich vor seinem Talent so ekelt wie vor den Menschen, poltert E-autorenpflichtig: „Nach Hamburg wegen Fauser, kommt nicht in Frage; daß ich in München auftreten, ist nur eine Gefälligkeit.“ Muß man akzeptieren. Carl Weissner, der verdiente Importeur amerikanischer Heldensagen, wollte es jedoch einrichten. Er hat Bukowski übersetzt, Dylan auch und Zappa erst. 1990 brachte er Fausers Gesamtwerk heraus.
Wenn jemand tot ist, ist er schnell ein Mythos. Oft noch gar nicht kalt, schon heiß geliebt. So wie von der „FAZ“, dem Underground-Fanzine mit seinen flippigen Beatniks in der Texterfassung. Dort konnten wir lesen: „Fausers Bücher schärfen unseren Sinn für Grautöne.“ Sein Junk: für uns gespritzt. Dann tut es nicht so weh. Der Gossenpoet, besonders unterhaltsam für das Bürgertum, also nein, diese Typen an den Wurstbuden und der Slang, geschult an Krimis aus Übersee, den muß man sich warm halten, vor allem, wenn er just erkaltet. Natürlich waren all die Typen in Fausers Stories auch mit nicht allzu karger Ironie konzipiert, wie bei Bukowski, doch wer soll das beweisen? Elke Heidenreich?
Ein wunderbarer nonmoderner Tonträger wird mit leichter Verspätung nun bei der um Obskures bemühten Münchner Hippie-Firma Trikont veröffentlicht. „O-Ton“ heißt die, na klar, Doppel-CD, und in einem Schlitz, wahrscheinlich handgepackt, klemmt ein in mancher Hinsicht vielseitiges Heftchen mit Briefen und Bibliographie. Auch Fotos. Die gemahnen – unscharf, aber deutlich – an Fahndungsfotos in Postämtern. Deutscher Herbst. Die letzten Fotos dann: deutscher Winter. Fauser mit und ohne Bart, ausgemergelt, aufgeschwemmt, immer im Hemd, nie ohne Brille. Solche Männer gibts nicht mehr, nur alte „Tatort“-Folgen Montag nachts, wenn der „FAZ“-Redakteur träumt – von der Gosse.
Nicht ganz dialektfrei und monoton, bis am Ambient-Schleifen reichend, trägt Fauser seine Geschichten vor. Die spielen in Hinterhöfen, unter den Rädern, auf der Hut, am Rand, knietief in der Scheiße. Authentisch klingt es allemal. Ist ja O-Ton. Im Bücherregal sieht das etwas ärmlich aus. Zu niedrig. Auch in den „CD-Tower“ paßt es nicht. Es paßt nicht in die Zeit! Aber da ist die Zeit Schuld, die CD ist top. Drogen und Suff – ob sie das Werk behinderten, bedingten? „Wer das braucht, kann nicht sehr gut sein“, hilft Fauser. Er war gut, brauchte es trotzdem. Der Trick mit der Dosis. So fand er sein Leben entlang der Sucht.
Er schrieb, bis 1987 in der Nacht seines 43. Geburtstags ein Lkw nicht mehr bremsen konnte. Wie romantisch. Keine Mordtheorie. Nicht mal Selbstmord. Einfach: Unfall. Dirty Diana hat es auf drei, fast vier Mordtheorien gebracht. Da reicht der Tod nicht aus. Wegen der Emotionen. Jedenfalls der Lkw, und das wars. Keine große Sache. Kenner werden Fauser ständig feiern, ohne Jubiläumsermahnung oder Tributlesung – und die anderen sind eben die anderen.