Er machte Duane Eddy groß, schrieb Hits wie „These Boots…“ , doch die schrillen Solo-Werke des Lee Hazlewood werden erst jetzt entdeckt
Was zum Teufel mag jemanden wie Lee Hazlewood dazu veranlaßt haben, nach fast zwanzigjähriger Abstinenz solch ein Album aufzunehmen? Die CD läuft an, geschniegelter Tanztee-Groove setzt ein, und man lauscht einem älteren Herren, der nun mit brüchiger Stimme geschmackvoll uralte Broadway-Klassiker croont. Supersauber, und daher ohne jede Ähnlichkeit mit all dem, womit der Mann seiner Fangemeinde im Ohr geblieben ist Mit neuen Songs war wohl ’99 nicht mehr zu rechnen, aber auch eine Aufarbeitung der eigenen Meilensteine lag dem Künstler, der im Juli 70 wird, offenbar völlig fern. Außerdem kein Costello in Sicht, mit dem sich das Lebenswerk in neues Licht setzen ließe, und finanzielle Probleme hat Lee Hazlewood längst nicht mehr – also warum?
Das Booklet von „Farmisht, Flatulence, Origami, ARF!!! And Me“,in dem der Künstler in gewohnt selbstironischer Form einige Dialoge aufgezeichnet bzw. erdacht hat, gibt die Antwort: „I’m his oldest friend and I asked him to“, läßt er Al Casey, den Chef seiner Begleitband, sagen. – Was ja stimmen kann, denn Casey war „56 einer der Musiker aus Phoenix/Arizona die den Korea-Veteran und Radio-DJ (der seinerzeit als erster im Dorfe Elvis Presley aufgelegt hatte) baten, mit seinen Kompositionenmal ins Studio zu kommen. Damals war auch ein junger Gitarrist namens Duane Eddy dabei, und als es Hazlewood gelang, Eddy dazu zu bringen, seine eingängigen Licks mal auf den tiefen Saiten zu spielen, war ein Sound-Erfolgsrezept gefunden, das den beiden von ’58 bis ’60 Hits in Serie bescherte.
Hazlewoods Rente ist seitdem gesichert Warum also nun die Schnulzen?
Womöglich gönnt er sich einfach nur einen verschmitzten Rückblick auf jene Zeiten, als solche wie er noch nicht ins musikalische Geschehen eingegriffen hatten. Motto: „Seht her, Freunde, da wäret ihr ohne mich noch heute!“ Mit Edel-Pop im Stil eines Butt Bacharach hatte Hazlewood, den es 1953 nach L. A. verschlug, nie viel am Hut Eher mit der subversiven Arbeitsweise Russ Meyers oder Robert Mitehums.
„These Boots Are Made For Walking“ wurde ’66 sein größter Erfolg. Nancy Sinatra im Beiheft ihrer „Boots“-CD: „Lee had a vision, which he was able to capture on audio tape.“ He created a persona, this tough, sexy image. I had a lot of trouble fitting into that“.
Ab die beiden „Boots“ aufnahmen, glaubte keiner an einen Hit. Die Sängerin paßte nicht in das Frauenbild der weißen Pop-Kultur, das Arrangement wirkte exzentrisch, und eigentlich hätte das Werk auch irgendeinen Moralapostel aufheulen lassen müssen.
Doch mit denen hatte Hazlewood nie Probleme, obwohl ja auch die weiteren Hits, die er Nancy auf den Leib schrieb, nur so vor Anspielungen auf Drogen („Sugar Town“) oder Sado/Maso („How Does This Grab You, Darling?“) strotzten. Mehr noch: Wo vergleichbare Songs bei jedem Radiosender nicht mal mit der Kneifzange angefaßt wurden, standen seine „Visionen“ hoch in den Charts und machten Nancy „Sin“ zum Weltstar. Er ging gar noch einen Schritt weiten griff selbst zum Mikrofon, um mit Nancy im Duett zu singen – er als der gesetzte Herr mit sonorer Stimme, sie als das junge Küken. Der Geniestreich „Nancy & Lee“ von ’68 gehört zu den unverzichtbaren Klassikern jeder Plattensammlung. Hier stimmt alles: von der Country-Burleske („Jackson“) bis zur psychedelischen Kurzoper „Some Velvet Morning“, dem wohl seltsamsten Popsong aller Zeiten.
Ihre erfolgreiche Zusammenarbeit endete abrupt, als sich Hazlewood 1970 nach Schweden absetzte. Einige munkelten gar, Frankieboy persönlich habe aus Sorge um sein Töchterlein Lee nahegelegt, das Weite zu suchen.
Wie auch immer. Der Präsident der 1962 gegründeten Lee Hazlewood Industries (LHI) war längst ein gemachter Mann, der sich den Luxus leisten konnte, skurrile Solo-Alben im B-Movie-Stil zu veröffendichen. Die Reissues ein paar dieser Perlen sind Resultat eines Hazelwood-Deals mit dem von Sonic-Youth-Drummer Steve Shelley geführten Indie-Label SLR. „Cowboy In Sweden“, der Soundtrack eines Films über seinen Schweden-Trip, ist bereits raus. Weiteres, darunter ein total durchgeknalltes Duett mit Diva Ann-Margret, soll bald folgen.