Er liebt Falsettstimmen und nennt sich Songwriter. Aber wehe, man wagt es, Jude an den alten Ikonen seiner Zunft zu messen
Der nervende Lautsprecher versteckt sich nicht im, sondern neben dem Fahrstuhl, und daher knarzt nun Satchmo durchs Hotel-Foyer. „Als Armstrong noch jung war“, grinst Jude, „hat er auch anders gesungen.“ Mit „anders“ ist nach seinem Interpretations-Schema „schöner“ gemeint, und richtig schön darf daher dann auch mal so klingen, ab saß ein Knabe auf einem zu harten Fahrradsattel. So wie das bei Jude der Fall ist. Ins Falsett hat er sich nun mal unsterblich verliebt. Sicherlich kein Wunder, wenn die Jugendjahre von Platten der Beach Boys und Temptations beschallt wurden „_und wenn der Baß mal still war und jetzt die Tenöre hart ran mußten, dann hab ich meine Anlage aufgedreht, mich aufs Bett gelegt und geschwelgt“ Unheilbar, wie gesagt.
Unheilbar zwar, aber nicht dramatisch. Bis urplötzlich neue, noch verheißungsvollere Wonnenspender auftauchen, kokett mit ihren lasziven Fingern locken und man sich Knall auf Fall und immer wieder verguckt Eines schönen Tages saß Jude dann also vor drei augenklimpernden Verführerinnen namens Rhythmus, Rap und (bereits schon erwähnt) Falsett, aber konnte und wollte sich nicht entscheiden. Und kein Aas in der Nähe, um ihm zu helfen. „Ich hatte eine ganze Palette von Songs für eine Band geschrieben, da ich ja längst ahnte, daß meine eigene Vorstellung von guter Musik im Alleingang nicht zu realisieren wäre. Aber ich fand ums Verrecken niemanden, der mit mir spielen wollte.“ Ergo waren seine ersten Stunden im Studio reichlich einsame, und natürlich lag das Resultat besagter Stunden anschließend wie Blei in den Regalen der Plattenläden. „‚Wen beeindruckt heute noch ein Typ mit ’ner Gitarre und ein paar flotten Songs, selbst wenn er sich die buchstäblich aus den Poren geschwitzt hat?“
Spätestens jetzt – obendrein noch Jahre später als schon die Plattenfirma – kommt man auf einen gewissen Mr. Dylan zu sprechen, und siehe da, man hat einen Volltreffer in die Achillesferse von Jude gelandet „Hör mir bloß mit dem au£ vor dem hat mein Vater mich schon gewarnt, und zum Glück hab ich manchmal sogar auf ihn gehört!“ Er sei nun wirklich kein Songwriter geworden, um sich dann an verknöcherten Ikonen messen lassen zu müssen. „Es reicht doch wohl, daß jede Musik, die nur ein bißchen das Zuhören verlangt, heutzutage überall auf die Giftliste gesetzt wird. Vielen Dank an MTV, und vielen Dank auch an CNN, wo man jede Politikerrunde mit einem Komiker oder einem ,Songwriter‘ garniert, der die Werbepausen einleiten darf!“
Nee, eher würde Jude sich krankmelden. Könnte er sich auch leisten, denn sein Album „No One is Really Beautiful“ ist wahrlich kein Pausenfüller, die Pause braucht man eher hinterher. Mit seiner LP hat sich Jude viele Freunde gemacht, ziemlich gute obendrein. Und so träumt er jetzt davon, „mit Al Jarreau, Bill Withers oder Elvis Costello“ verglichen zu werden. Vorsichtshalber sei er jedoch weiter „aufs Schlimmste vorbereitet“. Wie immer. Aber diesmal garantiert umsonst