Emma Russack – Digitaler Denkzettel
Die australische Folk-Sängerin Emma Russack bereut ihre Jugendsünden - trotz deren Erfolg.
Tonight I’m gonna go out and get drunk and find someone to take me home.“ Da wird man ja nicht gerade an die Hand genommen und sanft an das Album „Sounds Of Our City“ herangeführt! Es wird nicht viel umschrieben, es wird nicht viel geschönt. Hat es sich so zugetragen, wird es so gesungen. Man könnte die Australierin Emma Russack als Puristin bezeichnen. Sehr poetisch ist das nicht, aber effizient; denn man folgt gebannt der Geschichte und will wissen, wie es weitergeht. „I can’t do what I want now.“ Warum nicht? – Na, weil sie den Einen nicht kriegen kann. Aber: „I can do who I want.“ Oh.
Dunkel klingt die Stimme der 24-Jährigen und düster sind auch ihre Lieder, wobei hie und da ein angenehmes Fontänchen von unerwartet dreckigem Witz hervorsprudelt. Leider ist Emmas Sprechstimme alles andere als sinnlich, sondern überraschend hoch, und sie hüpft bevorzugt am Satzende fragend noch eine verminderte Terz höher – auf eine sehr amerikanische Weise, obwohl Emma doch aus Melbourne kommt!
Es scheint, als ob die Songschreiberin mit deutschen Wurzeln draufgängerisch ihr Ding durchzieht. Sie hat schon ein Jahr in England verbracht, zog – ohne einen Menschen zu kennen – nach Melbourne und brach mit ihrem Freund zu einem sechsmonatigen Südamerika-Trip auf. Inwieweit dieser ihr Album „Sounds Of Our City“ inspiriert hat? „Die Landschaft hat mich überhaupt nicht inspiriert. Aber ich habe im Amazonas-Dschungel mit meinem Freund Schluss gemacht; insofern hat diese Reise wohl viele Herzschmerz-Songs hervorgebracht.“ Klingt dramatisch – dabei singt Emma in „No Pets“, einer Hymne auf das Alleinsein: „I’d rather have nothing than something that is gone.“ Sich gar nicht erst auf die Liebe einlassen, um sich vor Verletzungen zu schützen? „Nein, ich bin total für verrückte Liebe, die wehtut! Der Song hat nur einen Gedanken von Bonnie, Prince‚ Billy (,If there is no one, no one can hurt you‘) weiter gesponnen“, erzählt Emma.
Emma Russack weiß jetzt nämlich, was sie will. 2007 war das noch anders. Da lud sie noch Dutzende Videos von sich auf YouTube hoch und sang Cover für die Ich-kann-mir-auch-auf-dem-Sofa-Konzerte-angucken-und-dann-sinnlos-kommentieren-Gemeinde. „Es war verrückt. Ich postete das Neil-Young-Cover „Hey Hey, My My“ und als ich am nächsten Morgen aufwachte, hatte es 40.000 views!“ Auf die Frage, ob der digitale Weg heutzutage der einzige für junge Künstler sei, wird die hohe Stimme fast hysterisch. „Auf keinen Fall! Ich würde es niemandem empfehlen! Es war ein schrecklich unrealistischer Prozess – eine durch und durch negative Erfahrung. Ich wurde als Objekt, nicht als Frau gesehen, und fühlte mich wie eine Exhibitionistin, die diese Videos für Menschen postet, die es gar nicht wert sind. Könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich das nie wieder so machen.“
Kann sie aber nicht. YouTube hat ihr schließlich einen Plattenvertrag gesichert – und jetzt geht’s los. Nun, vielleicht trauen sich die Computer-Stalker ja mal raus in ein reales, soziales Umfeld. Es würde sich lohnen, denn wenn die Emma singt und Geschichten erzählt, ist das wie Hypnose – nur bitte keine Ansagen zwischen den Songs.