Elvis Costello – „This Years Model“
Es war wohl etwa 1989 oder 1990, ich war pickelig und verwirrt, als ich das erste mal seine Stimme hörte. Es war ein Streit um ein Mädchen, denke ich. Zwei Typen. Der eine hoffnungslos romantisch, der andere bissig und zynisch. Der eine mein großer Held seit ich das erste Mal ein Album der Beatles gehört hatte, der andere mir unbekannt. „You Want Her Too“ hieß das Stück, in dem diese zwei Weltbilder aufeinanderprallten. Ich war, nachdem ich es zum ersten Mal gehört hatte, bereit, das eine, gegen das andere einzutauschen und machte mich auf die Suche nach dem Mann, der – wenn man dem Aufdruck auf dem Cover des Albums „Flowers In the Dirt“ von Paul McCartney glauben durfte – Declan MacManus hieß.
Ich stellte mit Erschrecken fest, dass dieser Mann im CD-Regal vom „Marktkauf“ im Nachbarort nicht zu finden war, und es dauerte noch etwa ein halbes Jahr, bis ich in einer Beatles-Fanzeitschrift seinen „wahren“, also Künstlernamen las: Elvis Costello. Kurz darauf erfuhr ich aus einem Interview, dass er seine Songs aus Hass und Verachtung schrieb. „Liebe? Ich weiß nicht was das sein soll.“ All das verstand ich erst, als ich schließlich in einem Plattenladen „This Years Model“ gefunden hatte.
Diesem Cover kann man nicht widerstehen. Costellos Aggressivität springt einem förmlich ins Gesicht. Er schaut unberechenbar wie Klaus Kinski in alten Edgar Wallace-Filmen. Was hat er vor? Was für ein Bild will er schießen? Vermutlich das Hochzeitsfoto von Alison, die im unwiderstehlichen Song gleichen Namens auf seinem Debütalbum „My Aim Is True“ auftaucht. Doch während er damals noch durchaus sentimental auf die unerwiderte Liebe schaute, hat ihn jetzt die Wut gepackt. Nicht auszuschließen, dass er gleich die Knarre zückt und das glückliche Paar über den Haufen ballert.
„This Years Model“ handelt von Hass, Kummer, Faschismus und Sex. Doch das Entscheidende ist die Haltung. War auf „My Aim Is True“ noch das Hadern mit der Niederlage, das unbeholfene Blind-gegen-die Wand-rennen, stand hier plötzlich die trotzige Totalverweigerung. „I don’t want to kiss you, I don’t want to touch“, „I don’t want to be a lover – just wanna be your victim.“, „I don’t want to check your pulse / I don’t want nobody else / I don’t want to go to Chelsea,“ „I don’t want to be no goodie-goodie/I don’t want just anybody/I don’t want anybody sayin‘, ‚You belong to me,’” „I don’t like those other guys looking at your curves,“ „I don’t wanna be hung up, strung up, when you don’t call up,“ „Don’t say you love me when it’s just a rumor“. Auf „This Year’s Model” gibt es keine Liebe, kein Mitgefühl, der Andere existiert nur in der Verneinung. Die Songs hießen „Hand In Hand“ oder „You Belong To Me“, doch der Schein trügte.
In dieser beißenden, galligen, bollernden Stimme lag mehr Wut, als man sich mit 14 Jahren vorstellen konnte, doch diese Wut wird erst durch die Attractions zur Attacke. Auf „This Years Model“ hört man die druckvollste Rhythmusgruppe, die jemals ein Tonstudio betreten hat. Sie liefert das Fundament für Steve Nieves hämische Keyboard-Attacken und Elvis’ ätzende Gitarre.
Im unheimlichen „Night Rally“ bricht am Ende, wie schon in „Less Than Zero“ (nach dem Brett Easton Ellis später einen Roman benannte) Costellos Faszination für Faschismus durch, die sich auf dem nächsten Album, das ursprünglich „Emotional Fascism“ heißen sollte und später in „Armed Forces“ umbenannt wurde, noch deutlicher äußern sollte. Hier schien Costello dann endlich auch die Antwort auf die Frage, was denn Liebe sei, gefunden zu haben: Liebe ist Krieg mit anderen Mitteln. Den Sound des Schlachtfelds hören wir schon auf “This Years Model”.
Stiff Records, 1978