Elvis Costello: Back in Costello Country
Unter der Regie von T Bone Burnett nahm Elvis Costello ein Bluegrass-Album auf - und freut sich über seine Freiheit und Alters-Spontaneität.
Als Elvis Costello das erste Mal ein Album in Nashville aufnahm, endete es fast im Desaster. 2Wir wohnten in so einem berüchtigten Rock’n’Roll-Hotel und tranken die ganze Nacht mit Gregg Allman“, sagt Costello über die Sessions zu „Almost Blue“, seinem Album mit Country-Cover-Versionen von 1981. „Das waren neun Tage Dauersuff. Es ist ein fucking miracle, dass dabei überhaupt ein Album fertig wurde.“
Im April kam Costello für eine weniger exzessive und konzentriertere Session wieder in die Music City. „Diesmal versuche ich mich nicht als Country-Sänger“, sagt er. Stattdessen enthält „Secret, Profane & Sugarcane“ 13 Songs im reduziertem Appalachen-Sound: das muntere Tuckern und der metallische Twang des Bluegrass, verknüpft mit Costellos tremolierenden Vocals, verzweigten Melodien und typisch giftigen Lyrics.
Aufgenommen wurde live-to-tape mit Produzent T Bone Burnett- in nur drei achtstündigen Sessions. „Es brauchte einfach nicht länger“, sagt Costello. „Deswegen ist die Platte auf keinen Fall schludrig gemacht- nur eben kompetent.“ Angesichts von fast 30 Studioalben seit 1977 ist man von Costello eine hohe Schlagzahl gewohnt, doch dieses Album kam unerwartet, auch für ihn.
„Vor zwei Jahren war ich nicht mal sicher, ob ich überhaupt noch Platten machen wollte“, sagt Costello, der 2008 das rockige „Momofuku“ veröffentlicht und eine Talkshow moderiert hat. „Es machte einfach keinen Spaß mehr.“ Doch als er dann im Herbst 2007 einige Shows im Vorprogramm von Bob Dylan spielte, packte ihn die Idee, ein Unplugged-Album zu machen: „Niemand im Publikum war meinetwegen gekommen- also konnte ich neue Songs ausprobieren. Die Leute klatschten, und schon war ich weg.“
Costello testete den größten Teil des „Sugarcane“-Materials- einschließlich einiger Songs, die er für eine noch unvollendete Oper über Hans-Christian Andersen schrieb- auf der Dylan-Tour, dann arrangierte er sie fertig und spielte sie mit einer kompletten Band 2007 beim MerleFest in North Caroline und 2008 beim „Hardly Strictly Bluegrass“-Festival in San Francisco.
Die Band- Roots-Musik-Asse wie Dobro-Spieler Jerry Douglas, Mandolinist Mike Compton und Sänger Jim Lauderdale- stellte Burnett zusammen. Er belieferte Costello auch mit Songideen: „T Bone schickte mir Robert Johnsons ‚From Four Till Late‘ und eine Sidney-Bechet-Platte. Und sagte: ‚Könnten wir etwas schreiben, was diese beiden Ideen zusammenpackt?'“ Das Ergebnis, „Sulphur To Sugarcane“, ist eine ironisch-spöttische Blues-Tirade Marke „I’ve Been Everywhere“ über flatterhafte Frauen von Poughkeepsie/ New York bis Ypsilanti/ Michigan.
„Den Song habe ich bei Dylan jeden Abend gespielt“, sagt Costello. „Erstaunlich, wie viel Applaus man dafür bekommt, dass man die versammelte Weiblichkeit einer Stadt der Liederlichkeit zichtigt.“ „Sugarcane“ enthält auch zwei Songs, die Costello einst für Johnny Cash schrieb: den Shuffle Noir „Complicated Shadows“ und die Honky-Tonk-Nummer „Hidden Shame“. (Cash nahm nur letztere auf.)
„Ich kann seine Stimme in dem Song hören“, sagt Costello über „Hidden Shame“, das auf der wahren Geschichte eines Häftlings basiert, der gesteht, seinen besten Freund ermordet zu haben. „Der Konflikt darin, diese großen moralischen Entscheidungen über Leben und Tod, schienen mir zu seinem Gesang zu passen.“
Die Liebesleid-Ballade „I Felt The Chill“ schrieb er Seite an Seite mit der Nashville-Legende Loretta Lynn: „Sie hatte eine große Schachtel voller Zettel mit Songfragmenten und Text-ideen. Aus der zog sie einfach Songtitel heraus und sagte: ‚Hat den Titel schon mal jemand benutzt? Komm, den nehmen wir jetzt.'“ Costello genießt seine Rückkehr zu Country und Americana, die er- weniger orthodox- auch auf „King Of America“ und „The Delivery Man“ praktizierte. So sehr, dass er mit Rosanne Cash und Kris Kristofferson im Studio war und Lucinda Williams zu einem Album mit Country-Duetten bewegen will.
„Damals (1981) war die Reaktion der Einheimischen so ungefähr: ‚Nimm deine Pfoten von meiner Freundin'“, erinnert er sich. „Aber heute mache ich einfach, was ich eben mache. Ich bin kein Bluegrass-Sänger, aber ich habe die Songs nun mal so gehört. Diese Stories wollen so erzählt werden. Und heute kann mir keiner mehr sagen, was ich tun oder lassen soll.“ Er hält inne und lacht. „Aber das konnte ja eh noch niemals jemand, von daher macht es wahrscheinlich keinen verdammten Unterschied.“
Michael Endelman