Elvis Costello
Die Wandlung ist vollzogen. Als Elvis nach I „God Give Me Strength“ und einem Ständchen am Bühnenrand unter standing ovations gerührt abtritt, hat er die lang ersehnte Wende zum Kammersänger genommen. Der Plan lautete: verfrühte Klassik, Bariton, Shakespeare, das ganze Programm. Bald die kompletten Sonette auf der Bühne! Am Flügel begleitet vom treuen Knappen Steve Nieve und unterstützt von der überschaubaren, aber extrem begeisterungsfähigen Gefolgschaft, beginnt Costello den Liederabend mit „Why Can’t A Man Stand Alone“ und den ersten Songs von „Painted Front Memory“, die er theatralisch und akzentuiert darbietet „(I Don’t Want To Go To) Chelsea“ und „Shot With His Own Gun“ werden eingeworfen, außerdem zwei fabelhafte Songs von „King Oj’America“, „BriUiantMistake“ und „Indoor Fireworks“.
Doch als das Konzert so geschmackvoll und souverän voranschreitet, merkt man plötzlich, daß Elvis diesmal alles will. Mit „Radio Sweetheart“ blickt er kurz und ironisch auf die Anfänge zurück, beim ausladenden „God’s Comic“ veralbert er Gott und Presley und macht Spaße, die zu Lasten der Grandezza gehen. Dabei sind gerade die Stücke des bei Fans eher ungeliebten Albums „Spike“ großartig: ein subtiles, konzentriertes „Pads, Paws And Claws“, eine kraftvolle „Veronica“. Und dazwischen erklingt ganz unprätentiös die ewige „Alison“. Elvis schmeißt sich in die Lieder, als gäbe es kein Morgen.
Das hätte natürlich gereicht. Aber jetzt beginnt das unheimliche, das erschütternde Finale: Elvis blutet bei „In The Darkest Place“ und dekonstruiert „Watching The Detectives“ an der elektrischen Gitarre, zerrt und verlangsamt, Nieve hämmert dunkle Akkorde wie in „Pills And Soap“. Danach zelebriert das Duo „I Want You“ in einer Weise, die schaudern macht und das Publikum von den Sitzen springen läßt. Sogar das sonst nie im Konzert zu hörende „Shipbuilding“ wird zum Triumph. Elvis, um keinen gewagten Effekt verlegen, singt das Ende ohne Mikrophon und stolpert bebend. „Red Shoes“ und „I Still Have That Other Girl“ finden schließlich in einer Mischung aus Verzückung und Andacht statt. Auf der Bühne schüttelt man sich die Hände wie nach einem gelungenen Deal.
Costello hatte es vor zehn Jahren prophezeit: Er ist unser beloved entertainer.