Elton John: Über sein neues Album und seine Inspiration
Auf seinem Schloss in Windsor sind die Blumenbouquets und die Ferraris weniger geworden: Elton muss sparen. Trotzdem hat er das Lächeln wieder gelernt. In Shorts und Polohemd sitzt er auf seinem Sofa und erzählt vergnügt vom Vergnügen, den Musiker in sich selbst wieder gefunden zu haben. Wovon sein neues Album „songs From The West Coast“ Zeugnis ablegt. Weil Sir Elton auch hier das Sparen geprobt hat, schließen die zwölf Songs fast nahtlos an seine schönsten Taten von vor 25 Jahren an.
Ihr neues Album hört sich so an wie gute alte Platten aus der guten alten Zeit. War das Konzept – oder ist’s einfach passiert?
So was passiert nicht aus heiterem Himmel. Letztes Jahr hörte ich ein Album von Ryan Adams, „Heartbreaker“. Ich liebte es! Dann las ich irgendwann den Text im Booklet. Der Kerl hatte all die tollen Songs in 11 Tagen aufgenommen und obendrein analoges Equipment benutzt. Und alles klang so wunderbar, beinahe majestätisch. Ich wollte sofort probieren, auch so aufzunehmen – bis mir einfiel, dass ich vor 25 Jahren im Grunde nichts anderes getan hatte.
Lässt denn Ihre Plattenfirma nun Milde für den Senior walten und findet das alles ganz, ganz toll?
Zuerst konnten sie ihren Schrecken kaum verbergen und fragten dauernd nach der Single. Als sie dann den siebten Song für wert befanden, wollten sie ihn ganz vorne auf dem Album haben. Genau solche Dinge aber akzeptiere ich nicht mehr. Compilations gibt’s mehr als genug, ich wollte ein Album, und ich kann noch Alben machen, also bestimme ich auch die Reihenfolge der Songs. Früher hätte ich mich wahrscheinlich schnell ergeben. Ach was, wieso wahrscheinlich! Ich habe es ständig getan, es war ja so schön bequem. Ich hatte, so bitter das Geständnis auch ist, den Fokus meines Tuns völlig verloren.
Wenn ich jetzt nicht wenigstens versuche, meine Identität wiederzufinden, ist es zu spät. Ich will im Studio nicht so enden wie Rod Stewart. Der hat eine tolle Stimme und glaubt deshalb, seine Platten im Vorübergehen aufnehmen zu können. Die Resultate sprechen allerdings eine andere Sprache.
Hat Sie niemals die Angst geplagt, es könne eines Tages keine ungeschriebene Melodie mehr geben?
Nein, das war das kleinste Problem. Natürlich sind sich Melodien gelegentlich ähnlich – schließlich geht ein Komponist auf der Suche nach dem perfekten Song nicht jedes Mal komplett neue Wege. Es gibt aber andere Zweifel: Als ich zum ersten Mal „Babylon“ von David Gray hörte, war ich neidisch darauf, diesen Song nicht selbst geschrieben zu haben.
Gibt es noch andere Kollegen, die Sie bewundern?
Es gibt auf jeden Fall noch andere Songs, und die findet man nicht in den Archiven. Ein Beispiel etwa ist „Stan“ von Eminem, das ist wie ein ganzer Film in vier Minuten, unglaublich! So etwas liebe ich, das bete ich geradezu an! Deshalb arbeite ich ja auch schon so lange mit Bernie (Taupin), weil der auch komplette Stories in Kurzform erzählt. Das mag manchmal arg sonnig und heiter klingen, aber wer genau hinhört, findet auch die unangenehmen Fragen in diesen Songs: „What’s wrong in my life, who fucked me up?“ Und nie stellt er die Fragen so wie andere.
Hat der Sänger Elton John auch immer nach dieser Maxime gehandelt?
Als Newcomer kommst du absolut nicht um die Kopie herum. Ich hab versucht, wie Leon Russell zu klingen und später wie Van Morrison, und das ist auch völlig okay. Dumm ist bloß, wenn man den Absprung verpasst, wenn man vom Geliehenen zu zehren beginnt. Ich bin ja heilfroh, ein Instrument zu spielen. Leute wie Mick Jagger oder Steven Tyler hatten es da weit schwerer. Die konnten sich nicht hinter drei Metern solidem Holz verstecken. Es gibt nur eine Sängerin, die es seit vielen Jahren schafft, alles Mögliche von der Straße aufzulesen und es zu ihrem geistigen Eigentum zu machen. Deshalb erkläre ich Madonna auch so gern zum Prototypen der wirklich cleveren, taffen Frau.
Viele Ihrer Kollegen mögen nicht alle Ihrer Alben, hegen aber Respekt für Ihre Arbeit. Was ist es, das man bewundert, und wie schätzen Sie Ihren Einfluss auf die Pop-Historie ein?
Das ist schwer für mich zu beschreiben. Wo immer Musiker von der Presse nach ihren Favoriten gefragt werden, wirst du kaum einmal meinen Namen lesen. Wenn ich Michael Stipe treffe oder auch Courtney Love, dann erfahre ich Respekt, aber ich bin keiner dieser Leute, die man gern seinen Einfluss nennt. Das sind Dylan, Lou Reed, John Cale, in seltenen Fällen auch noch die Stones. Wir sind halt alle verdammte Snobs, ich bin da keine Ausnahme. Ich erzähle auch nicht an jeder Ecke, dass ich gar nicht mal so selten Abba und die Carpenters höre.