Elliot Smith – Berlin, Knaack
Wie ein Häufchen Elend saß der Künstler nach dem Auftritt im Backstage-Kabuff, das Gesicht in den Händen verborgen, nicht ansprechbar. Was ihn so aus der Bahn geworfen hatte, wußte indes keiner zu sagen. Anfängliche Soundprobleme hatte er noch selbstbewußt gekontert. „I’m caught in a giant bass trap“, hatte er dem Mixer zugerufen. Selbst bei den profansten Sprachübungen ganz der Poet. Doch geriet ihm das Gemüt Stück für Stück aus den Fugen, zweimal brach er mitten im Song ab und verließ die Bühne. Beim dritten Mal kehrte er nicht zurück.
Dabei hatte alles so ingeniös begonnen. Die Musik vom Band: „Exile On Main Street“, laut und komplett. Dann der Support Act Quasi, ein aktionistischer Tastenmann und eine agile Drummerin, die Musik ausufernd, aber roh und runzlig. LoFi Progrock. Elliott Smith gesellte sich dazu. Langes Set, zu lange. Pause, abermals „Exile“. Ausverkaufter Club, gute Atmosphäre, schlechte Luft. Dann endlich: der Star wider Willen, im Stones-Shirt, hinter ihm Quasi. Der Keyboarder jetzt am Baß, am Schlagzeug das Mädchen (von Sleater-Kinney! flüsterte mir eine Bekannte aufgeregt ins Ohr). Es läßt sich gut an. „Division Day“ drängt und sprüht, „Waltz 2“ ist ein wenig verwackelt, doch verträgt das die Melodie. Im übrigen hatte keiner erwartet, die intrikaten, fein ziselierten Arrangements von „XO“ live dupliziert zu bekommen. Trotzdem war der Meister nicht zufrieden, und nach einer knappen Stunde war alles vorbei.
Was für ein Kontrast: Gerade acht Monate ist es her, daß Elliott Smith im Londoner „Borderline“ auftrat. Fast heimlich hatte er die Bühne betreten und leise angefangen zu spielen. Drei Minuten brauchte das in Trauben an der Bar hängende Publikum, um zu realisieren, daß das Konzert schon unterwegs war. Und drei weitere Minuten, bis Ruhe einkehrte. Smith ließ sich davon indes nicht beirren, erhob nicht die Stimme, sondern sang leise und gefaßt, mit halbgeschlossenen Augen, als berührte es ihn nicht, ob jemand zuhörte. Das immerhin hat sich radikal gewandelt. Nun denn, Smith wäre nicht der erste Folkie, der auf dem Humus einer Tingeltour Neurosen züchtet Oder leidvolle Erfahrungen macht bei der Elektrifizierung seiner zartbesaiteten Zöglinge. Vielleicht plagte ihn nur ordinäre Migräne.