South By Southwest Music & Media Conference
Einmal pro Jahr wird Austin das Vinyl-Junkie-Paradies und zum Treffpunkt der Bands und Fans
Unübersehbar blinkt es dem Besucher in riesigen Lettern bereits am Airport entgegen: „Welcome to Austin, Live Music Capital of the World“. So mancher Texas-Novize zieht skeptisch die Augenbrauen hoch und hält es für eine ortsübliche Übertreibung. Weit gefehlt. Erst recht im März, wenn zur „South By Southwest Music & Media Conference“ Tausende Musik-Funktionäre und Hunderte von Bands in Austin einfallen und sich, parallel dazu, zahllose Plattensammler aus aller Welt bei der „Austin Record Convention“ nicht nur finanziell verausgaben. In dieser Märzwoche wird die texanische Hauptstadt alljährlich zum Tollhaus. Der Kongreß tanzt, die Börse boomt, und doch finden die interessanteren Ereignisse abseits von allem wheelen und dealen statt, an Orten, die das ganze Jahr über Tränke und Tanzfläche sind für Austinites. Im „Broken Spoke“ etwa, einer traditionellen Dancehall, die Meisterfiddler Alvin Crow und seinen Western-Swing-Gesellen eine Bühne gab, als der legendäre „Soap Creek Saloon“ für immer seine Schwingtür vernagelte. Hier jodelt der Honky Tbnk-Koloß Don Walser, Santiago Jiminezjr. quetscht seine Conjunto-Kommode, und die Tochter des Hauses rollt das mannshohe, gebrochene Wagenrad, dem der Saal seinen Namen verdankt, durchs dichte Spalier der walzernden und Two-Step-tanzenden Paare. Hier kümmert sich keiner um den Trubel, den die outof-towners in der 6th Street und in den unzähligen Clubs und Bars lostreten. Mehr als 100 Bands spielen jede Nacht: Rhythm 8C Blues bei „Antone’s“, Punk im „Hole In The Wall“, Songwriter im „Cactus Cafe“, Funk im „Flamingo“, Rock im „Liberty Lunch“, Grunge’n’Noise im „Emo’s“, Rockabilly im „Continental Club,“ Country im „Driskill“ und die lokalen Stars draußen, unter den Sternen, im „La Zona Rosa“. Während sich dort Guy Clark und Alejandro Escovedo das Mikro in die Hand drücken, feiert Jerry Jeff Walker drei Blocks weiter seinen Geburtstag mit der Nitty Gritty Dirt Band und 800 geladenen Gästen. Jimmie Dale Gilmore bittet südlich des Colorado zur Gala mit surprise guests, und in Butch Hancocks ehemaliger Galerie (er wohnt mittlerweile in Terlingua) wird musiziert bis zum frühen Morgen. Derweil sich im Motel 6 Vinyl-Junkies bei presaleparties fachsimpelnd die Nacht um die Ohren schlagen. Die wahrhaft raren und gesuchtesten Platten wechseln bei diesen Insider-Treffs für mehr als nur eine Handvoll Dollar den Besitzer, Tage bevor die Convention ihre Pforten öffnet. Drei Stunden Schlaf und dann ins Konferenzgetümmel, zu panels und sessions und Diskussionen, die sich oft genug noch um Musik drehen, nicht ausschließlich um die Produkte und den Profit wie in Cannes oder in Köln. Musik, wie Texaner sie lieben: traditionsnah und trendfern, straight to the heart und ganz ohne Allüren. Wild By Wildwest.