Einfach Hammer
Das veröffentlichte Gefühl: Weshalb die raffiniert inszenierte Kuppel-Seifenoper "Die Bachelorette" bei RTL eine wahre Schule des Lebens ist
Die öffentliche Zurschaustellung von Gefühlen ist heute so selbstverständlich wie eine Umarmung von entfernt Bekannten und unverbindliche Luftküsschen. Vor 20 Jahren stritt man noch darüber, ob privates Glück in der Show „Die Traumhochzeit“ ausgestellt werden dürfe; später gab es „Big Brother“, das Dschungel-Camp und „Bauer sucht Frau“, und das Schamgefühl rutschte in die unteren Regionen. Zugleich wurde der Begriff des „Fremdschämens“ geprägt, während man sich früher für jemanden schämte oder etwas peinlich oder blamabel fand. Mit den sozialen Netzwerken sind Schaulust und Exhibitionismus keine sozialen Auffälligkeiten mehr, sondern die verabredete Form der Kommunikation von Menschen unter, na ja: 50 Jahren. Naturgemäß gibt es nichts Aufregenderes als das Menschlich-allzu-Menschliche, und das Fernsehen, die opportunistische Sau, profitiert davon.
Bei interessierten Kreisen erfreut sich bereits die Reihe „Der Bachelor“ großer Beliebtheit, eine Kuppel-Dokumentation, die geschickt zwischen inszenierter Realität und wirklicher Wirklichkeit changiert, wobei die Wirklichkeit unter künstlichen Bedingungen gestellt wird: 20 Frauen dienen sich einem nach landläufigen Kriterien attraktiven Junggesellen an, der gerade nichts anderes zu tun hat, die Bewerberinnen sukzesiv kennenlernt, verschiedene Prüfungen ansetzt, sogenannte Einzel-Dates veranstaltet und immer mal wieder eine Auswahl trifft, bei der er diejenigen Frauen mit einer Rose beschenkt, die er weiterhin für eine mögliche Zweisamkeit im Sinn hat. Zwar ensteht der Eindruck, dass der Bachelor ebenso wie die Kandidantinnen vor allem an ihrem Vorkommen an illustren Schauplätzen und im Fernsehen interessiert sind, doch der Unterhaltungswert ist enorm.
Auftritt „Die Bachelorette“ – schon der sanft gestelzte Titel signalisiert das Verschämte der darwinistischen Männerschau. Bachelorette Anna, eine blond-aparte, mild temperierte Musical-Sängerin, nimmt sich der Aufgabe ernsthaft und skrupulös an; sie ist nicht liederlich und nicht kokett, weder Nymphe noch Megäre. Die ansehnlichen Herren, Mitte 20 bis Mitte 30, sind Bauingenieur und Student der Geschichte und Philosophie und Unfallchirurg – Unterschichtenfernsehen ist dies nicht. Allerdings bringt Aurelio, ein düster dreinblickender Exil-Italiener, Machismo und Aggression in die manierliche Gruppe. Gedreht wurde in einer pittoresken Gegend von Portugal; die Bachelorette residiert einsam in einer Villa, während die Herren sich mit blanker Brust in einer luxuriösen Wohngemeinschaft lümmeln, langweilen und Leibesübungen machen, bis die nächste Prüfung stattfindet. Anna ruft von einem Segelboot ans Ufer: Sie hätte so gern Matrosen an Bord, aber der Platz reiche nur für sechs Männer. Sofort entledigen sich die Bewerber ihrer Schuhe und Hemden und schwimmen schnaufend zu der Jolle; wo sie sich an der Reling hochziehen müssen. Luke hat es geschafft und säuselt: „Küssen ist mir unglaublich wichtig.“ Anna hört im Wind gebannt zu und wispert: „Auf jeden Fall. Ich brauch‘ das auch.“ Es ist eine Eigenart solcher Sendungen, dass jede Situation in der Rückschau kommentiert wird. Hier erinnert sich die Dame bebend: „Da sind haufenweise Antworten gekommen, wo ich dachte: Wow!“
Wieder an Land, brummelt der trockene Hamburger Thomas beim Strandspaziergang: „Ich brauch‘ immer so lange; ich bin schwer zu knacken.“ Dennoch fasziniert der lange Lulatsch die Bachelorette:“Wenn man von Schritten sprechen kann“, dann habe Thomas kleine gemacht. Was freilich bedeutet: „Das ist ein Mega-Gefühlschaos!“ Das noch verstärkt wird durch ein Techtelmechtel mit dem Zausel Tim, der sie im Oldtimer-Cabrio zu einem Leuchtturm fährt. Oben angelangt und tüchtig frierend, öffnen die beiden eine Flasche Champagner, wickeln sich in eine Decke und tauschen erste Küsse: „Das ist superromantisch – und ich kann trotzdem mit dir lachen!“ freut sich Anna. „Einfach Hammer!“, findet Tim. Aus dem Off erklingt Bob Dylans „Make You Feel My Love“, dann jodelt Shakira. Doch das Glück hält nicht lange, denn bei der „Nacht der Rosen“ verlangt Aurelio eine Erklärung – und Anna verwechselt seinen Namen mit dem von Antonio. „Das ist ein ganz großes Problem, Schnucki!“ versetzt der Latin Lover beleidigt. Noch bekommt er trotzdem eine Blume.
Eine bessere Schule des Lebens bietet nicht einmal Peter Zwegats Schuldenberatung.
Am besten fand der Autor einen Satz der Bachelorette über einen verabschiedeten Kandidaten: „Ich glaube, er wäre einfach zu lieb.“