Einer wie neu
DAS ALBUM IST EINE LEgende. Die wenigen noch erhaltenen Exemplare der Ende der 60er-Jahre vom Künstler selbst gepressten Miniauflage gehen für bis zu 3.000 Dollar über den Tisch. „Songs Of A Gypsy“ heißt die erste und einzige Platte des US-Amerikaners David Del Conte aka Damon. Die Enthusiasten des amerikanischen Psychedelic Rock erzählen die Geschichte so, dass nicht die Doors oder Jefferson Airplane die entscheidenden Alben des Genres kreierten, sondern Künstler wie Damon, die fernab des Mainstream das musikalische Gefühl der Zeit zu Songs und Sounds verarbeiteten.
Nun liegt das besagte Werk von Damon erstmals als Remaster mit umfangreichen Liner Notes und einer zusätzlichen CD mit frühen Aufnahmen des Künstlers vor. Ähnlich wie bei dem zuvor wiederentdeckten Latin-Psych-Folker Rodriguez hört man da eine tatsächlich ungewöhnliche, gleichzeitig weltgrame und auf eine unprätentiöse Weise hoffnungsvolle Musik, die die klassischen Insignien des Hippie-Rock jener Zeit trägt. Doch Damon bringt seiner (gelegentlich auch lateinamerikanisch inspirierten) Musik etwas anderes, klar Strukturiertes und Unschuldiges bei. Natürlich blühen die Fuzzgitarren und kommen die Gesänge aus Flower-Power-Sphären, doch Damons Album ist kein Wolkenkuckucksheim, sondern ein Haus mit Fundament. „Obwohl ich viel in dieser Welt gelebt habe, war ich kein Hippie“, sagt Del Conte, „ich wollte nicht gegen den Krieg protestieren und ich verstand auch dieses Freie-Liebe-Ding nicht, weil es doch bloß freien Sex meinte. Ich habe damals nach einer tieferen Bedeutung für mein Leben gesucht, und das passte nicht zu den Hippies.“
Del Conte wurde Anfang der 40er-Jahre als Sohn italienischer Einwanderer in Rochester, New York geboren. Zu Beginn der Sechziger – die Familie Del Conte lebte mittlerweile in Kalifornien – begann seine musikalische Karriere als Tanzmusiker in den Clubs von Los Angeles, wo er Frank Sinatra und Tony Bennett sang, nebenher aber auch erste Songs für sein eigenes Label Ankh Records aufnahm. „Ich war ein leidenschaftlicher Surfer, und entsprechend klang meine Musik“, beschreibt Del Conte diese ersten Jahre.
Mitte/Ende der Sechziger hatte Del Conte – nun Damon The Gypsy – das Leben als Cover-Sänger aufgegeben und war ein reisender Musiker geworden. Das Zerbrechen seiner ersten, früh geschlossenen Ehe hatte ihn aus der Bahn geworfen, Drogen taten ein Übriges. Ein zufälliger Besuch im damals berühmten Bildungszentrum Esalen Institute in Big Sur, das Del Conte als Retreat für Superreiche beschreibt, änderte alles. „Ich saß da auf dem Rasen und spielte Gitarre -ein Kumpel von mir führte den Laden und erlaubte mir, dort zu bleiben“, erinnert sich Del Conte. „Plötzlich landet neben mir ein Hubschrauber, und George Harrison und Ravi Shankar steigen aus. Später jammten wir zusammen – mir war eine Saite gerissen und ich hatte meine Gitarre wie eine Sitar gestimmt. Am nächsten Morgen habe ich einige der wichtigsten Songs für ‚Songs Of A Gypsy‘ geschrieben.“ Del Conte hat viele solcher Geschichten und kann bis ins Detail Szenen beschreiben, in denen das Lebensgefühl der Hippie-Jahre spürbar wird. Doch er selbst blieb ein Wanderer, der auf Umwegen zurück nach Los Angeles kam und 1968 sein nun legendäres Album aufnahm. Eine Karriere hat es ihm nicht gebracht; vielmehr geriet der Sänger und Gitarrist tiefer in einen Strudel aus persönlichen und Drogenproblemen, die ihn während der 70er-Jahre beschäftigten.
Seit Anfang der Achtziger führt Del Conte in Capistrano Beach unweit von Los Angeles ein gemütliches Leben als Chef einer Bowling-Bahn. Der mehrfache Vater, der zu Hause ein kleines Studio betreibt und gelegentlich in den Clubs der Gegend Oldies singt, erinnert sich mit freundlich-amüsiertem Ton an sein früheres Leben und berichtet von seiner Bekehrung zum christlichen Glauben. „Als sich einzelne Menschen vor ein paar Jahren plötzlich für meine Musik interessierten, hatte ich jemanden am Telefon, der sagte, er suche einen Mann namens Damon, und ob ich das wohl sei“, erzählt Del Conte und lächelt, „na ja, habe ich gesagt, der war ich jedenfalls mal.“