Einer, der die Gitarre veränderte: Leben und Tod von Eddie Van Halen
Virtuosität, Erfindungsreichtum und Streigkeiten: Ein Blick auf Leben und Tod von Eddie Van Halen.
Niemand, außer vielleicht Jimi Hendrix, hatte die Rock-Gitarre so nachhaltig geprägt wie Eddie Van Halen. Das Schaffen und Wirken von „King Edward“, wie er zurecht genannt wird, geht weit über virtuose Licks und Riffs, viele Hits und das Populärmachen der „Tapping“-Technik auf der Gitarre hinaus. Auch das Instrument an sich wäre in technischer Hinsicht heute ein anderes.
Mit jeder Menge Experimentierfreude und ohne Rücksicht auf Verluste (sprich: kaputte Gitarrenteile) baute sich Eddie Van Halen von Anfang an selbst seine Gitarren zusammen. Was heute Klassiker auf der Gitarrenwelt sind, wurde damals mit jeder Menge Neugier, Kreativität und herrlicher Unbekümmertheit aus der Not heraus geboren. Eddie Van Halen fand nämlich einfach kein Instrument auf dem Markt, das seinen Ansprüchen genügte. Also bastelte er sich aus verschiedenen Teilen eigene Instrumente. Er lötete, hämmerte, sägte, nahm sich Tonabnehmer von der einen und verbaute sie in eine andere Gitarre. Das resultierte nicht nur in der längst legendären Gitarre „Frankenstein“, sondern auch in zahlreiche eigene Modelle. Zunächst bei Kramer, dann bei Music Man und später bei der Eigenmarke EVH. Auch in puncto Verstärker hatte Eddie eigene Vorstellungen und schuf mit dem 5150 ebenfalls einen Klassiker.
Eddie Van Halen: Kindheit und Umzug in die USA
Edward Lodewijk Van Halen wurde am 26. Januar 1955 in Amsterdam geboren und wuchs in Nijmegen auf. Später zog die Familie in die USA, genauer gesagt ins kalifornische Pasadena. Das musikalische Talent bekamen er und sein älterer Bruder Alex (genauso wie die spätere Neigung zum Alkoholismus) von ihrem Vater Jan Van Halen vererbt. Der war selbst Jazzsaxofonist und Klarinettist.
Ihre Mutter, Eugenia, stammte aus Indonesien. Als Eddie sieben Jahre alt war, zog die Familie in die USA, in der Hoffnung auf bessere Chancen. Das lebenslange Band zwischen den Brüdern war stets stark und identitätsstiftend. „Wir teilten die Erfahrung, nach Amerika zu kommen und herauszufinden, wie man sich einfügt.
Alex Van Halen: „Wir teilten alles“
Auch einen einen Plattenspieler teilten wir, außerdem ein 800 Quadratfuß großes Haus, eine Mutter und einen Vater und eine Arbeitsmoral“, schreibt Alex Van Halen in seinen 2024 erschienenen Memoiren „Brothers“ – und ergänzt: „Später teilten wir die Rückseite eines Tourbusses, den Alkoholismus, die Erfahrung, berühmt zu werden, Väter und Onkel zu werden und mehr Stunden im Studio zu verbringen, als ich in meinem ganzen Leben mit irgendetwas anderem verbracht habe. Wir teilten eine Tiefe des Verständnisses, die die meisten Menschen nur hoffen können, in ihrem Leben zu erreichen.“
Beide Brüder waren bereits in jungen Jahren talentierte Multi-Instrumentalisten und gewannen Musikwettbewerbe. Besonders Eddie, erinnert sich sein Bruder, habe ein ausgeprägtes Gehör gehabt und konnte schnell Sachen nachspielen. Dies ging so weit, dass sein Klavierlehrer erst nach mehreren Jahren Unterricht (und gewonnenen Wettbewerben) bemerkte, dass Eddie eigentlich gar nicht Notenlesen konnte.
Bemerkenswert ist, dass sich Eddie ursprünglich aufs Schlagzeug fokussierte und sein Bruder Alex Gitarre lernte. Als es jedoch klar wurde, dass Alex der talentiertere Drummer war, nahm die Geschichte ihren Lauf und Eddie Van Halen wechselte zur Gitarre.
Die Gründung Van Halens
1972 gründeten die beiden Brüder ihre erste Band. Sie hieß zunächst Genesis, dann Mammoth (Jahrzehnte später übernahm Eddies Sohn Wolfgang Van Halen diesen Namen für sein Soloprojekt Mammoth WVH) und bestand neben Alex am Schlagzeug und Eddie an Gitarre und Gesang auch aus Mark Stone.
Weil die Band jedoch eine Soundanlage benötigte, kam David Lee Roth ins Spiel – dieser besaß nämlich eine PA-Anlage. Aus pragmatischen Gründen holte man Roth in die Band und sparte sich so die Mietkosten fürs Equipment. Zwei Jahre nach der Gründung von Mammoth musste Mark Stone den Platz für Michael Anthony räumen.
Urbesetzung von Van Halen
Die Urbesetzung von Van Halen war geboren – und während man zunächst noch mit anderen Bandnamen experimentierte (etwa Rat Salad oder Broken Combs), wurde die Band im selben Jahr nach den beiden Brüdern benannt.
Van Halen begannen, in den Clubs in Los Angeles zu spielen und für Aufsehen zu sorgen. KISS-Bassist/Sänger Gene Simmons war einer der frühen Förderer der Band und finanzierte ein Demo-Tape. Van Halen wurden bekannter und bekannter – viele Zeitzeugen, die die Band in ihren Anfängen sahen, berichten, dass es offensichtlich war, dass man es hier mit etwas ganz Neuem und Bedeutendem für die Rockmusik zu tun hatte. Es folgten Support-Slots für bekannte Acts wie Santana oder UFO und ein Plattenvertrag mit Warner Bros.
Das Debütalbum „Van Halen“ erschien 1978 und beinhaltete neben dem Klassiker „Runnin’ with the Devil“ und der The-Kinks-Coverversion „You Really Got Me“ auch jenes Stück, das die Rockgitarre für immer verändern sollte und ganze Heerscharen an 1980er-Jahre-Shreddern inspirierte: „Eruption“.
„Wie zur Hölle spielt er das?“ – das war die Frage, die sich damals abertausende Musiker stellten. Es war ein neuer Sound, wie man ihn von der Gitarre noch nie gehört hatte. An dieser Stelle möchten wir betonen, dass Van Halen die Tapping-Technik, bei der sowohl die Greif- als auch die Schlaghand aktiv Saiten durch direktes Antippen zum Klingen bringen und so schnelle Tonfolgen erzeugen, nicht erfunden, aber definitiv populär gemacht hat.
Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es in der Welt der E-Gitarre zwei Zeitabschnitte gibt: vor und nach Eddie Van Halen. Schnell wurde Eddie Van Halen zur Blaupause für etliche Kopisten – einer der Gründe dafür, warum er seine bereits erwähnte „Frankenstein“-Gitarre (die zunächst mit gelb-schwarzen Streifen, dann in Rot-Weiß-Schwarz Geschichte schrieb) stets veränderte.
„Diese Gitarre hat viele verschiedene Phasen und Veränderungen durchgemacht“, sagte der verstorbene Gitarrenheld. „Auf der ersten [Van Halen]-Platte hatte sie ein altes Fender Strat-Vibrato, dann kam der Floyd-Rose dazu, und dann fügte ich den Dummy-Pickup am Hals hinzu. Ich habe sie immer wieder verändert, weil ich es leid war, dass die Leute meine Gitarre kopierten.“
EVH über seine Gitarren
Dass sich Eddie Van Halen blendend mit Les Paul, dem Schöpfer des bekannten Gibson-Modells, verstand, ist allseits bekannt – denn die beiden verbindet ein Erfindungsreichtum, den man sonst nur bei Leo Fender fand. „Mit meinen Gitarren versuche ich wohl, das zusammenzubringen, was du und Leo gemacht haben“, erzählte Van Halen einst in einem von „Guitar World“ aufgezeichneten Gespräch mit Les Paul.
„Es gibt Dinge, die ich schon immer an Gibsons mochte, und Dinge, die ich schon immer an Fenders mochte, aber keine der beiden bot alles, was ich wollte, also habe ich eine Kombination aus beiden geschaffen. Meine Gitarre ist im Grunde ein Strat-Korpus mit Gibson-Humbucking-Tonabnehmern.“ Eddie Van Halen spielte und erfand im Laufe der Jahrzehnte eine Reihe von Gitarren – viele davon gingen in Serie. Heute kümmert sich sein Sohn Wolfgang Van Halen um die EVH-Gitarrenmarke.
Egos, Streit und Frontmann-Ärger
Die Bandgeschichte von Van Halen an dieser Stelle ausführlich zu erzählen, würde den Rahmen sprengen – und da es ja konkret um Eddie Van Halen gehen soll, soll diese nur kurz umrissen werden. Van Halen veröffentlichten insgesamt 12 Studioalben und hatten große Hits („Jump“, „Panama“, „Hot for Teacher“). Zu sagen, sie wären eine streitfreudige Band gewesen, wäre eine Untertreibung – denn besonders in puncto Frontmänner gab es im VH-Camp fast nie ruhige Zeiten. An Egos mangelte es im Van-Halen-Camp definitiv nicht.
1985 schmiss man David Lee Roth raus und ersetzte ihn mit Montrose-Sänger Sammy Hagar. Die „Van Hagar“-Ära begann – und wurde zwar höchst erfolgreich, für viele Fans ist jedoch bis heute die Roth-Ära die authentische Phase der Band (Alex Van Halen deutet dies auch in seinen Memoiren an). 1996 zerstritt man sich mit Hagar, an dessen Stelle kam Extreme-Frontmann Gary Cherone. Lange sollte der aber nicht bleiben, denn das gemeinsame Album „Van Halen III“ floppte.
1999 wurde Cherone rausgeworfen, und nach einer Auszeit holte man im Jahr 2003 Hagar zurück. Die Chemie wollte aber nicht stimmen – man versuchte es erneut mit Lee Roth, brach die Arbeiten aber ab. Zwei Jahre später gab Hagar erneut seinen Ausstieg bekannt. Das letzte Line-up bestand aus David Lee Roth, Eddie, Alex und Wolfgang Van Halen, der Michael Anthony am Bass ersetzte.
Eddie Van Halens Privatleben
Eddie Van Halen war zweimal verheiratet. 1981 ehelichte er die Schauspielerin Valerie Bertinelli, mit der er den gemeinsamen Sohn Wolfgang hatte. 2007 wurde die Ehe geschieden. 2009 heiratete er ein zweites Mal – die Stuntfrau und PR-Beraterin Janie Liszewski, mit der er bis zu seinem Tod zusammenblieb.
Eddie Van Halens Leben war nicht nur von großartiger Musik, Virtuosität und Erfindergeist geprägt – sondern leider auch von seinen Süchten. Zeit seines Lebens kämpfte er gegen Alkohol und Drogen, vielen Fotos aus so mancher Ära ist dies leider auch deutlich anzusehen. Van Halen war auch starker Raucher. Dass er Anfang der 2000er-Jahre an Krebs (damals Zungenkrebs) erkrankte, schreibt er dem Einsatz von Metallplektren zu, die er oft in den Mund nahm.
Eddie Van Halens Tod
Am 6. Oktober 2020 starb Eddie Van Halen im Alter von 65 Jahren. „Ende 2017 wurde bei ihm Lungenkrebs im Stadium IV diagnostiziert“, erklärte Wolfgang Van Halen 2020. Beim Stadium IV handelt es sich um ein fortgeschrittenes Stadium, bei dem der Krebs bereits Metastasen gebildet hat und als unheilbar gilt. Van Halen habe die Überlebensprognosen der Mediziner deutlich übertroffen: „Die Ärzte haben gesagt: ‚Du hast sechs Wochen‘.“ Nach einem Motorradunfall entdeckte man 2019 bei Van Halen außerdem einen Hirntumor – von da an habe sich „die Scheiße immer mehr aufgetürmt, sie ließ nie mehr nach“. Wolfgang bestätigte auch, dass sich Eddie damals in Deutschland einer Alternativbehandlung unterzog, die ihm noch einige Lebensjahre gebracht haben soll.
Mit Eddie Van Halen verlor die E-Gitarrenwelt einen ihrer größten Protagonisten und Erfinder. Zu einem Tribute-Abend oder gar einer Tour mit dem gesamten Van-Halen-Camp kam es leider nie – auch nach seinem Tod waren Teile der Band einfach zu zerstritten.